Fangjagd
natürlich nur ein kleines Land, aber wir sind entschlossen, die wenigen Millionen zu schützen, aus denen unsere Bevölkerung besteht.
Die zweite Gruppierung nimmt die Rundumverteidigung sehr, sehr ernst. Deshalb habe ich gesagt, Sie seien zu einem höchst interessanten Zeitpunkt gekommen.“
„Und bei diesen Reserveoffizieren geben Bankiers den Ton an, nicht wahr?“ erkundigte Newman sich.
Lachenal erstarrte förmlich. Sein Gesichtsausdruck hatte sich zwar kaum verändert, aber verräterisch war seine betont ausdruckslose Miene. Er lehnte sich in seinen Sessel zurück und sprach, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen.
„Wie kommen Sie darauf?“
„Ich hab’ auch meine Quellen. Innerhalb und außerhalb der Schweiz.“
Newman betonte dieses Wort, um Lachenal irrezuführen. Das konnte wichtig sein, wenn es darauf ankam, Arthur Beck zu schützen. Hierzulande ging offenbar etwas sehr Merkwürdiges vor.
„Ich kann mir nicht vorstellen, weshalb Sie das sagen“, behauptete Lachenal schließlich.
„Ist das wirklich so schwierig?“ Newman hatte sofort eine Antwort parat. „Sie haben selbst davon gesprochen, daß diese Gruppierung sehr einflussreich ist. Einfluss bedeutet Macht, Macht bedeutet Geld, Geld bedeutet Bankiers.“
„Theorien sind abstrakt, und Abstraktionen sind irreführend“, wehrte Lachenal brüsk ab.
Newman stand auf und zog seinen Mantel an, um zu gehen. Er hatte diesen Augenblick bewusst gewählt. Lachenal war ein tatkräftiger, sehr fähiger Mann, aber zugleich auch sensibel.
Der Schweizer war zuletzt fast grob gewesen, und Newman wußte, daß er seine Unfreundlichkeit bedauern würde.
Lachenal stand ebenfalls auf und begleitete seinen Besucher zur Tür. „Sie müssen berücksichtigen, Bob, daß keiner von uns Ihnen abnimmt, daß Sie hier wirklich nur Urlaub machen. Sie arbeiten bestimmt an einer Story…“
„Ich bin aus dem Grund, den ich Ihnen genannt habe, mit meiner Verlobten hier“, antwortete der Engländer kalt. „Das können Sie nachprüfen lassen, falls Sie mir nicht glauben.“
„Ich schlage vor, daß wir uns statt dessen einmal zum Abendessen treffen. Ich freue mich aufrichtig, Sie wiederzusehen, Bob. Aber Sie müssen zugeben, daß der von Ihnen genannte Grund für Ihren Schweizer Besuch eine hervorragende Tarnung für Recherchen wäre…“
Newman blieb mit der Hand auf der Türklinke stehen und sah zu Lachenal auf. Der Schweizer war einer der cleversten, mit erstaunlicher Intuition begabten Menschen, die er kannte. Er griff nach der ausgestreckten Hand Lachenals und schüttelte sie.
„Ich nehme Ihre Einladung mit Dank an. Wir telefonieren miteinander, um einen Abend festzulegen, ja? Weiterhin alles Gute, Rene.“
Rundumverteidigung.
Während Newman die Marmortreppe hinunterging und das Bundeshaus Ost verließ, war er mehr denn je davon überzeugt, daß dieser Ausdruck das Schlüsselwort gewesen war. Und er hatte gespürt, daß Lachenal sich um irgend etwas große Sorgen machte. Newman hatte den starken Verdacht, der Lösung des Rätsels einen entscheidenden Schritt näher zu sein, wenn er den Grund für diese Sorgen herausfand. Nancy kam ihm entgegengelaufen, als er das Bellevue Palace durch die Drehtür betrat. Sie hatte in der Hotelhalle gesessen und den Eingang beobachtet. Jetzt hängte sie sich bei Newman ein und führte ihn rasch zu der Sitzgruppe, wo sie ungestört miteinander reden konnten.
„Jetzt haben wir die Schweizer Armee auf dem Hals“, erklärte er ihr. „Mir gefällt diese Entwicklung ganz und gar nicht…“
„Ich soll dir etwas ausrichten – aber wovon redest du überhaupt? Mit wem bist zu zusammengekommen?“
„Mit einem hohen Schweizer Offizier, einem alten Freund. Wir haben uns in einem Cafe getroffen. Seinen Namen möchte ich lieber nicht nennen. Ich glaube, daß er versucht hat, mich vor der Klinik Bern zu warnen.“
„Wenn ihr wirklich alte Freunde seid, müsste er wissen, daß solche Warnungen bei dir nur das Gegenteil bewirken!“
„Ja, das habe ich mir auch überlegt. Merkwürdig, was? Aber was sollst du mir ausrichten?“
„Ein Mann namens Beck hat angerufen. Er läßt dich bitten, sofort zu ihm zu kommen. Die Sache scheint sehr dringend zu sein.“
19
„Kennen Sie diesen Toten, Newman?“
Beck wirkte wieder feindselig. Er stand steif und unnahbar neben dem Engländer. Seine Stimme klang kalt, ausdruckslos – seine dienstliche Stimme. Im Kühlraum des Leichenhauses standen drei Personen. Der Fußboden
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