Fangonia (German Edition)
Nicht nur aus dem Grund, dass sie Joe verloren hatten. Sie hatte ihm die Gefahr, in die er sich begeben musste, direkt vor Augen gehalten. Er hatte das Feuer nie wieder sehen wollen. Die rotgelben Flammen in der Nacht hatten die verdrängten Erinnerungen wieder auflodern lassen. Hatten sie denn tatsächlich eine Chance gegen diese gefräßigen, züngelnden Flammen? Und wenn sie mit dem Feuer fertig würden, da war immer noch der Schatten, der dem Feuer ständig folgte. Wie Spielzeug konnte er sie wegschleudern, so stark war er. Aber zurückgehen, das konnte Muschelstaub auch nicht. Zum einen wäre die Schmach zu groß, zum anderen die Gefahr dadurch nicht gebannt. Nein, er würde seinen Auftrag erfüllen. Sie würden es alle schaffen. Irgendwie. Nur Mut!
Gwendolyn und Wilbur saßen ein wenig abseits von den Gefährten. Sie hatten sich viel zu erzählen. Leise flüsterten sie miteinander. Sie konnten nicht so aufeinander zu gehen, wie früher. Noch nicht. Zu viel Zeit war verstrichen. Sie mussten sich erst langsam wieder einander nähern.
„Ich bin froh, dass du ihn noch hast!“, sagte Wilbur und zeigte auf den schmalen Goldring, der Gwens Handgelenk zierte.
„Ich habe ihn nie abgelegt.“, erwiderte sie leise und strich sanft über den runden, glatten Schmuck.
~ ~ ~
Sie waren nicht weit gegangen, als sich der Boden neigte. Der Weg führte nun abwärts, sie hatten die Bergkuppe überwunden. Hinunter ging es immer leichter als bergauf. Beschwingt ließen sie ihren Füßen freien Lauf.
Auf einmal stolperte Muschelstaub über seine kurzen Sandbeinchen und purzelte ein gutes Stück des Weges hinunter. Ein dichtes silbrig-weiß glänzendes Gestrüpp, das sich wie eine große Hecke über den Weg bis in den dichtesten Wald hineinzog, bremste seinen Sturz.
Dina eilte ihm zur Hilfe. Muschelstaub versuchte, sich aufzurichten, doch die Hecke wollte ihn nicht loslassen. Dina packte Muschelstaub an seinen sandigen Ärmchen und zog mit aller Kraft. Muschelstaub kam so plötzlich frei, dass Dina zurückstolperte und der Sandling auf sie drauf fiel. Wilbur und Gwen, die mittlerweile auch am Schauplatz angekommen waren, hielten sich die Bäuche vor Lachen. Es hatte aber auch zu komisch ausgesehen. Selbst Dina und Muschelstaub mussten grinsen.
Aber was war das nur für eine tückische Hecke, die ihnen da den Weg abschnitt? Dina schaute genauer hin. Diese Hecke bestand nicht aus Zweigen und Blättern, sondern aus feinen, klebrigen Fäden, die unheimlich dicht gesponnen waren. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück.
„Leute… Ich glaube, das hier ist ein… Ein…“
„Ein Spinnennetz!“, vervollständigte Wilbur ihren Satz. „Und zwar ein großes!“
Oh nein, dachte Dina. Wenn sie etwas nicht mochte, dann waren das Spinnen. Nicht einmal die kleinen! Was für ein Kaliber so ein riesiges Netz gesponnen hatte, wollte sie sich lieber nicht vorstellen.
„So, dann überlegt euch mal, wie wir hier durch kommen“, rief Muschelstaub.
„Wir müssen hier durch?“ Dina und Gwen gefiel diese Idee gar nicht.
„Können wir nicht versuchen, einen anderen Weg zu finden? Wir können doch das Netz einfach umgehen!“
„Typisch Mädchen! Aber gut, versuchen wir das zuerst.“, erklärten sich die Jungen einverstanden.
Sie liefen alle in den dunklen Wald hinein. Die Bäume wuchsen hier sehr dicht aneinander. Hohe Sträucher und Brombeerhecken erschwerten das Durchkommen. Dina zerriss sich ihre Hose an den vielen scharfen Dornen. Wilbur fluchte laut, wenn er sich an einer der zahlreichen Brennnesseln verbrannte.
Gerade hatten sie das Ende des Netzes erreicht und wollten erleichtert drum herum gehen, als sich auf einmal die Bäume laut knarrend in Bewegung setzten. Groß und drohend rückten sie auf die kleine Gruppe zu, stellten sich Stamm an Stamm. Kein Licht drang mehr durch ihre Baumkronen. Die Hecken richteten sich auf und kehrten ihre fingerlangen, scharfen Dornen wie gezückte Messer gegen die Eindringlinge.
Dina und ihre Freunde blieben vor Schreck stehen. Nein, hier konnten sie beim besten Willen nicht durch. Selbst Wilbur, der mit Bäumen umzugehen wusste, konnte nichts erreichen. Er versuchte auf sie einzureden. Doch als ein dicker Ast nach ihm ausschlug, gab er es auf. „Rückzug!“, rief er bestimmt.
Eilig kämpften sie sich durch das Gestrüpp zurück zum Weg.
„Wollen wir es in der anderen Richtung versuchen?“, fragte Dina, doch Wilbur schüttelte nur den Kopf. „Das wird nichts nützen. Die Bäume
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