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Fangonia (German Edition)

Fangonia (German Edition)

Titel: Fangonia (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Muschelstaub, Wilbur und Gwendolyn eingeschlafen waren, blickte Dina in die lodernden Flammen.
    Wie unterschiedlich das Feuer sein kann, dachte sie. Auf der einen Seite bedrohlich und gefährlich, auf der anderen Seite beruhigend und wärmend. Wie eigenartig… Dann war auch sie eingeschlafen.

    Früh erwachten sie am nächsten Morgen. Dina lief zu dem kleinen Bach, den sie gestern beim Blättersammeln entdeckt hatte, und wusch sich das Gesicht. Eisig brannte das frische Wasser auf ihrer Haut. Wie gut das tat. Dina schaute nach oben. Der Himmel blitzte in blassem Blau durch die Baumkronen.
    Ein wunderbares rotes Blatt löste sich von einem hohen Ast und segelte sanft dem Boden entgegen. Dina verfolgte seine Flugbahn und lief tiefer in den Wald zu der Stelle, wo sie es hatte fallen sehen.
    Da lag es, zwischen vielen gelben und braunen Blättern. Ein so sattes Rot hatte sie noch nie gesehen. Sie bückte sich und wollte es gerade ergreifen, als eine Hand es ihr vor der Nase wegschnappte.
    Erschrocken blickte sie auf und sah in ein ernstes, fremdes Gesicht eines sehr seltsamen Wesens. Es sah Dina kurz aus schmalen, grauen Augen an, dann betrachtete es sorgfältig das rote Blatt. Liebevoll strichen seine langen dünnen Finger darüber. Schließlich zog es einen Fächer aus bunten Blättern aus seiner Jacke hervor, steckte das rote Blatt dazu und befestigte das Bündel an seinem Hut.
    Es war ein sehr extravaganter Hut, nach Dinas Meinung. Er sah aus wie ein aufgespannter Regenschirm, den sich der Kerl, der Dina etwa um einen halben Kopf überragte, auf das haarlose Haupt gesetzt hatte. Der Hut war über und über mit Herbstlaub geschmückt.
    „Wer bist du?“, flüsterte Dina atemlos.
    Der Mann reagierte nicht auf sie. Stumm und starr blickte er in die Baumkronen. Dina trat einen Schritt auf ihn zu und wedelte mit ihrer Hand vor seinen Augen herum.
    „Hallo, ich rede mit dir!“
    Er würdigte sie keines Blickes und sein schmaler Mund blieb fest verschlossen.
    Merkwürdig , dachte Dina. Sie würde Wilbur fragen, was das zu bedeuten hatte. Sie drehte sich um und wollte gehen. Jetzt erst sah sie, dass der Mann mit dem komischen Hut nicht alleine war. Überall standen komischen Männer an diesem Platz. Jeder von ihnen trug einen ähnlichen Hut – manche waren spitz, manche rund, aber alle bunt vom Herbstlaub.
    Hier und da bückte sich einer nach einem bunten Blatt, begutachtete es mit einer Sorgfalt, so wie der Mann vor Dina es getan hatte, und steckte es dann schließlich an den Kopfschmuck.
    Dina wich zurück. Was für ein merkwürdiger Anblick. Niemand beachtete sie oder redete auch nur ein Wort. Schnell lief sie zurück zu ihrem Lager.
    „Wilbur, komm, das musst du dir ansehen! Da stehen merkwürdige Männer im Wald. Sie sehen aus wie… wie…. große Pilze!“
    Dina war ganz aufgeregt von ihrer Entdeckung.
    „Große Pilze?“, riefen Gwen und Muschelstaub ungläubig. Nur Wilbur schien wenig überrascht zu sein.
    „Ich glaube ich weiß, was du meinst.“  
    Er ließ sich von Dina zu dem Platz schleifen und stimmte seiner stillen Vermutung nickend zu.
    „Dachte ich es mir doch. Das sind die Baumknappen. Harmlose Wesen, solange man ihnen nicht zu nahe kommt. Sie leben in friedlicher Einheit mit ihrem Baum.“
    „Dann sind sie ja tatsächlich wie Pilze!“, rief Dina. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die grauen Männlein auf nur einem Bein standen, das in dem weichen Blätterteppich verwurzelt schien.
    „Wieso beachten sie uns nicht? Sie sagen kein Wort.“
    „Die Baumknappen ignorieren uns, weil sie uns nicht sehen wollen. Nichts interessiert sie außer ihrem Baum, den Blättern und sie selbst. Ich würde mich wundern, wenn sie sich auch nur gegenseitig kennen würden. Alte Geschichten erzählen, dass sie früher einmal gute Sänger gewesen waren. Kein Baum, mit dem sie damals eine Symbiose eingegangen waren, hatte je seine Blätter verloren. Ob es allerdings wahr ist, weiß ich nicht. Ich habe sie jedenfalls noch nie sprechen, geschweige denn singen hören. Und die Bäume hier schütteln sich das Laub ja geradezu von den Ästen.“
    Wilbur pflückte zwei gelbbraune Blätter aus seinen verfilzten Haaren.
    „Lasst uns die Baumknappen nicht weiter stören.“, rief er Gwen zurück, die sich gerade neugierig auf einen bunten Blätterhut niederlassen wollte. „Es wird den Baumknappen ohnehin nicht gefallen, dass wir ihr Land betreten haben. Natürlich würden sie uns das nie zeigen.“ Na ja, dachte Dina. Die

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