Fangschuss
Rottweiler begeistert an ihm hochsprangen. Als sie sich ein wenig beruhigt hatten, hielt er die Hunde an ihren schweren Metallketten fest, die sie um den Hals trugen, und sprach beruhigend auf sie ein. Beinahe andächtig schienen sie seinen Worten zu lauschen, er tätschelte die massiven Schädel und streichelte ihre Rücken. So viel Zärtlichkeit hatte ich ihm nicht zugetraut. Dann ließ er sie los. Wie zwei schwarze Pfeile flitzten sie davon, auf den Abhang zu. Und während ich sie so über die Lichtung jagen sah, ahnte ich mit einem Mal, was hier vorging. Alles hatte plötzlich Sinn. Die Erkenntnis traf mich wie ein Faustschlag, zu grässlich und unvorstellbar war meine Vermutung, und doch sprach alles dafür, sämtliche Anzeichen deuteten in eine einzige Richtung.
Hastig versuchte ich, ein Foto zu machen, doch in der Aufregung drückte ich auf die falsche Taste und ein leises Piepen erklang. Wie auf Kommando rissen die beiden Hunde ihre Köpfe in die Höhe, wechselten, ohne zu zögern, die Richtung und rasten jetzt direkt auf mich zu. Meine Beine waren plötzlich butterweich und verweigerten jeden Befehl. Erst nach einer kleinen Ewigkeit, in der ich mich wie in Zeitlupe versuchte aufzurappeln, rannte ich los. Blindlings, ich stolperte über Wurzeln und schürfte meine Handflächen an rauer Baumrinde auf, ich bemerkte es kaum. Endlich tauchte der VW vor mir auf, ich warf mich hinein und riegelte sinnloserweise alles ab. Keine Sekunde zu früh. Mit wütendem Gebell brachen die beiden Hunde durch die herabhängenden Äste und stürzten sich auf den Wagen. Der eine richtete sich sofort an der Fahrertür auf. Sein Gewicht ließ den Käfer heftig wanken, die messerscharfen Zähne waren nur durch eine Glasscheibe von mir getrennt, die mir plötzlich extrem dünn und zerbrechlich schien. Der andere war mit einem Satz auf die gewölbte Kühlerhaube gesprungen, wo er sich mühsam balancierend festhielt. Ich drehte den Schlüssel, doch der Motor sprang nicht an. Mein Herz sackte abwärts, meine Eier rutschten höher. Die beiden Viecher blafften jetzt noch wilder, als hätten sie meinen Fluchtversuch bemerkt. Ich drehte den Schlüssel erneut, der Motor stotterte und erstarb augenblicklich wieder. Plötzlich bemerkte ich einen dünnen Riss in der Fensterscheibe, der sich rasend schnell über die ganze Fläche verästelte. Unbarmherzig drückten die schwarzen Pfoten dagegen, es war eine Frage von Sekunden, bis sie bersten würde. Ich kämpfte gegen die aufkommende Panik an und versuchte, mich auf den Autoschlüssel zu konzentrieren. Der Köter auf der Kühlerhaube rutschte ab, für einen kurzen Moment verlor ich ihn aus den Augen, dann preschte er von rechts heran, sprang hoch und die Scheibe dehnte sich unter seinem Gewicht nach innen. Ich glaubte mit einem Mal ganz heftig an Wiedergeburt, das konnte es ja wohl nicht gewesen sein. Ich fummelte wieder am Schlüssel herum, der Motor stotterte, erstarb. Voller Grauen starrte ich auf die Speichelfäden, die an der Scheibe klebten, den Schmutz, den sie mit ihren Pfoten darauf verschmierten. Außer sich vor Wut sprangen die Bestien gegen den Wagen, ihre blutunterlaufenen Augen irr verdreht, die Lefzen geifernd. Das ohrenbetäubende Bellen bohrte sich in mein Gehirn und drohte es in Stücke zu reißen. Plötzlich erfasste mich eine unglaubliche Ruhe. Schicksalsergeben lehnte ich mich zurück und steckte mir in Erwartung meines genauso sicheren wie spektakulären Endes eine Zigarette an, als das Unglaubliche geschah: Wie auf Kommando ließen die Hunde vom Wagen ab und jagten den Abhang hinunter. Die plötzliche Stille war beinahe unheimlich. Ich schwitzte, mein ganzer Körper war klatschnass, sodass ich zuerst dachte, ich hätte mir in die Hose gemacht. Was aber glücklicherweise nicht der Fall war. Keuchend legte ich den Kopf aufs Lenkrad. Meine Hände zitterten immer noch und mein Puls raste. Als hätte ich gerade sensationellen Sex gehabt. Was auch nicht der Fall war. Hundepfeife, dachte ich, wäre eine plausible Erklärung, andererseits war mir das im Moment alles ganz und gar egal. Ich lebte. Ich zog an der Zigarette, sie schmeckte wunderbar. Mein Gehirn war leer und leicht, nur allmählich kehrten vereinzelte Denkfunktionen zurück. Die Männer schienen nicht hier heraufkommen zu wollen. Ich verspürte nicht einmal Erleichterung. Vielmehr ahnte ich, dass ich immer noch in Gefahr schwebte. Doch nach der Begegnung mit den Kampfhunden hätte es so einiges gebraucht, um mir Angst
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