Fangschuss
merkwürdig hellen Laut kippte Winkler, seitlich am Kopf getroffen, vornüber und blieb reglos liegen.
»Dabei hatten wir es gerade so lustig.«
Der Junge schaute mich an, als sei ich nicht ganz richtig im Kopf. Unter seiner Mütze ragte orangefarbenes Haar hervor.
»Philipp?«
Abrupt wechselte sein Gesichtsausdruck von Verachtung zu unverhohlenem Erstaunen. »Woher …?«
»Dafür haben wir jetzt keine Zeit. Sie sind jeden Moment zurück.«
Von draußen war deutlich Hundegebell zu hören. Und es klang, als käme es rasch näher. Die Schüsse mussten weitherum zu hören gewesen sein.
»Lass uns abhauen.«
»Sieht aus wie beim Kochduell.« Ich deutete auf unsere Bratpfannen, die wir immer noch umklammert hielten, und erntete ein schwaches Grinsen.
»Ich muss rasch meine Sachen holen.« Er verschwand im Flur, der vom Wohnzimmer wegführte. Ratlos blieb ich stehen. Winkler regte sich nicht. Ich blickte aus der offen stehenden Tür und realisierte, dass man ihn so schon von Weitem daliegen sehen konnte. Mit ein paar Schritten war ich beim Eingang und hatte die Tür schon fast geschlossen, als Seeholzer am Rand des Abhangs auftauchte, neben ihm trottete Stadelmann, die beiden Rottweiler sprangen aufgeregt um beide herum. Das Bild erinnerte mich an Werbung für Hundefutter. Wobei in dem Fall wohl Philipp und ich als Futter vorgesehen waren. Schnell schloss ich die Tür ganz. »Beeil dich!«
Außer Atem stürzte Philipp ins Wohnzimmer zurück, er hielt jetzt eine Sporttasche in der Hand und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster. »Verdammte Scheiße!«
Ich packte seinen Arm und zog ihn in eines der Schlafzimmer auf der Frontseite der Jagdhütte. Dabei fiel mir auf, dass er unangenehm roch. Was eigentlich eine maßlose Untertreibung war: Er stank zum Himmel. Wir kauerten uns unter das Fenster, während ich versuchte, mit offenem Mund zu atmen.
»Hast du Asthma?« Er blickte mich mitfühlend an. Ich schüttelte hastig den Kopf und klappte den Kiefer zu. Wahrscheinlich roch ich ohnehin ähnlich wie er, nur schien ihm das im Gegensatz zu mir nichts auszumachen. Draußen waren jetzt Schritte zu hören, dem Rasseln der Ketten nach wurden die Hunde zum Schuppen geführt. Ich fragte mich, ob Philipp wusste, dass sein Vater vor der Hütte stand.
»Wenn er sie einsperrt, haben wir bessere Chancen.«
Jetzt erst fiel mir auf, wie blass und abgemagert Philipp war. Er musste die ganze Woche hier oben verbracht haben. Aber wieso war er nicht geflohen? Die Hauptstraße war nur ein paar Kilometer weit entfernt. Doch jetzt war keine Zeit für Fragen. Ich würde sie ihm später stellen. Falls es ein Später gab.
Die Schritte erklangen wieder, und wir hörten Seeholzer leise auf Stadelmann einreden. Sie mussten direkt vor dem Fenster stehen, ihre Stimmen waren dumpf zu vernehmen, obschon man nicht verstand, was genau sie besprachen. Ihre Schritte entfernten sich, dann wurde die Haustür geöffnet. Uns blieben Sekunden.
Ich riss das Fenster auf, während ich hinter mir Stadelmanns unterdrückten Aufschrei hörte. Seeholzer sagte etwas mit scharfer Stimme, dann schwang ich mich hinaus, Philipp folgte mir unverzüglich.
»Warte!«, flüsterte er, als wir uns vor dem Fenster duckten. Drinnen wurde die Tür zum Schlafzimmer aufgerissen. Ich wich zurück, doch Philipp rannte in die entgegengesetzte Richtung zur Haustür hin.
Ist der denn völlig bekloppt?, dachte ich. Durch das Wohnzimmerfenster beobachtete ich, wie Stadelmann aufgeregt nickend den mit einem Gewehr bewaffneten Seeholzer in die hinteren Räume des Gebäudes begleitete. Ich eilte der Mauer entlang und prallte beinahe mit Philipp zusammen, der keuchend an der Wand lehnte.
»Bist du jetzt komplett verrückt geworden?«
Er hielt sich den Finger an die Lippen und spähte durch die offen stehende Tür ins Wohnzimmer hinein. »Ich hab was vergessen.«
»Sie sind hinten«, flüsterte ich.
Philipp sah mich misstrauisch an, als wäre ich in der Lage, ihn in dieser Situation anzulügen, dann flitzte er flink hinein, zum Tisch hin, schnappte sich den Beutel mit Kokain und sauste so schnell, wie er hineingehuscht war, wieder zurück.
»Jetzt aber nichts wie weg!«, zischte ich.
Wir rannten geduckt unter den Fenstern hindurch, am Offroader vorbei. Als wir den Schuppen passierten, ließ mich ein unbehagliches Knurren wie angewurzelt stehen bleiben. Ganz langsam wandte ich den Kopf. Mein Herz setzte einen Schlag aus und verfiel gleich darauf in panischen Galopp. Die Tür
Weitere Kostenlose Bücher