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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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Vorwand wofür?
    Stadelmann und Winkler schienen nicht viel zu bereden zu haben. Wie festgefroren saßen sie sich gegenüber und starrten in ihre Weingläser.
    Meine Beine begannen, in der Hockstellung zu schmerzen. Ich streckte kurz eines, dann das andere, dabei vernahm ich ein leise ratterndes Geräusch, worauf neben mir ein Kieselstein zu Boden fiel. Er musste sich von der Felswand, die sich hinter dem Haus erhob, gelöst haben und dann über das Dach gerutscht sein. Winkler fuhr herum und ich warf mich augenblicklich zu Boden. Auf allen vieren kroch ich auf den Offroader zu, als ich hörte, wie die Haustüre aufgerissen wurde. Glücklicherweise befand die sich auf der anderen Seite des Gebäudes. Außenlicht flammte auf und ich versteckte mich hinter dem Wagen. An eine Flucht über die hell beschienene Wiese war nicht zu denken, da hätte ich gleich in die Hütte marschieren und mich mit an den Tisch setzen können. Vielleicht hätte es noch zu einem Schluck Wein gereicht, bevor mich Winkler niedergemetzelt hätte.
    Die beiden Männer beratschlagten flüsternd, von der Tür hatten sie sich offenbar noch nicht wegbewegt. Verzweifelt sah ich mich nach einem Fluchtweg um, vergebens, wenn ich von der Variante Kletterpartie an überhängender Felswand absah. Ich saß in der Falle. Winkler und Stadelmann schienen sich getrennt zu haben, das Geflüster war verstummt. In der plötzlichen Stille war nur noch mein Keuchen zu hören. Dann sah ich Stadelmann über die Wiese pirschen. Das Mondlicht ließ sein Gesicht fahl erscheinen und malte dunkle Schatten in seine Mimik. Der Lauf des Jagdgewehrs, das er im Anschlag hielt, glänzte kalt. Zögernd und mit angezogenen Schultern, als fürchte er sich, bewegte er sich Richtung Waldrand. Richtung meines Käfers.
    Ich hörte die knirschenden Schritte erst, als sie ganz in der Nähe waren. Winklers Schatten geisterte lang gezogen über die Grasfläche. Auch er war bewaffnet. Er musste direkt vor dem Offroader stehen. Noch zwei Schritte, und ich würde ihm zulächeln können. Wenn auch nur kurz, wie ich befürchtete.
    Jetzt blieb er stehen, der Gewehrlauf schwang unschlüssig in der Luft, und er fluchte leise. Meine Handflächen waren nass, der Schweiß lief mir über Rücken und Gesicht. Winkler pfiff durch die Finger, worauf sich Stadelmann jäh umwandte und ratlos mit den Schultern zuckte. Winkler schnaubte verächtlich und drehte sich langsam um. Noch hatte er mich nicht entdeckt. Ich wich zurück und hob, in Erwartung eines Schusses, sinnloserweise die Hände vors Gesicht, als plötzlich mit einem lauten Poltern ein Stein auf das Dach knallte und dann scheppernd über die Ziegel runterrutschte. Winkler riss den Kopf hoch, wirbelte herum und rannte vors Haus, wo der Stein mit einem matten Geräusch ins Gras plumpste.
    »Wer ist da?« Seine Stimme klang rau und angespannt.
    Als Antwort schlug erneut ein Stein auf dem Dach auf und rollte dann lärmig herunter. Dann folgte ein weiterer und noch einer, ein regelrechter Steinschlag setzte ein.
    »Verdammte Scheiße!«, fluchte Winkler und sprang zurück, um nicht von den herunterkollernden Felsstücken getroffen zu werden. »Stadelmann!«
    Dieser kam bereits mit großen Schritten den Hügel heruntergerannt, die Erleichterung, dass er nicht länger am Waldrand herumstolpern musste, war ihm selbst im Mondlicht deutlich anzusehen. »Ein Steinschlag!«, schrie er. »Wir müssen rein und uns in Sicherheit bringen!«
    Winkler knurrte ungehalten. »Steinschlag, ha! Wer’s glaubt!«
    Trotzdem folgte er Stadelmann in die Hütte hinein, jedoch äußerst widerwillig, wie mir schien. Ich nutzte die Gelegenheit unverzüglich, richtete mich auf und rannte auf den Waldrand zu, vermied die Bodenwellen und die aus der Wiese herausragenden Steinbrocken und erreichte endlich die schützenden Bäume. Ein stechender Schmerz flammte in meiner rechten Körperseite auf, der Schweiß lief mir in Strömen herunter. Ich beschloss, mit dem Rauchen aufzuhören und zukünftig mehr Sport zu treiben. Doch kaum hatte ich den Wagen erreicht, warf ich meine eben gefassten Vorsätze über Bord und zündete mir eine Zigarette an. Noch nie hatte mir eine Parisienne besser geschmeckt. Erst als ich mir die zweite ansteckte, fiel mir auf, dass das Päckchen merkwürdig leer war. Ich war überzeugt, mit einem vollen in Zürich losgefahren zu sein. Dann bemerkte ich, dass die Beifahrertür nicht ganz geschlossen war. Natürlich hatte ich den Wagen nicht verriegelt, bevor

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