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Fangschuss

Fangschuss

Titel: Fangschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sunil Mann
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ich mich aufgemacht hatte, um die Hütte auszukundschaften. Aber sicher hatte ich die Tür auch nicht offen stehen gelassen. Ich lehnte mich zurück und starrte auf die Felswand, die sich vom Mond gespenstisch beleuchtet über der Hütte erhob. Allmählich dämmerte es mir. Das Geräusch im Wald, der rettende Steinschlag, die geklauten Zigaretten: Ich war nicht allein.

Samstag
    Lautes Motorengeräusch weckte mich. Ich öffnete die Augen spaltbreit und erkannte lilafarbenes Dämmerlicht. Mein Rücken schmerzte, der Hals war steif und mein Mund trocken, als hätte man ihn mit Asche ausgerieben. Ich nahm einen Schluck aus der Plastikflasche, die seit Monaten auf dem Rücksitz lag. Das Wasser schmeckte modrig, doch das kümmerte mich wenig. Immer lauter wurde das knatternde Geräusch, dröhnender, merkwürdigerweise schien es von oben zu kommen. Ich stieg rasch aus dem Wagen, schlich vorsichtig an den Rand des Abhangs und verbarg mich dort in Kauerstellung im hohen Gras. Der Helikopter schwebte über der ebenen Fläche vor der Jagdhütte, langsam senkte er sich und setzte dann sanft auf. Silbern glitzernd neigten sich die Grashalme, und die Schweizer Fahne vor dem Haus flatterte ungestüm. Die Kabinentür des Helikopters wurde aufgerissen und Doktor Seeholzer sprang mit wehendem Mantel heraus. In geduckter Haltung eilte er auf die Jagdhütte zu, sein Haar vom Luftzug strähnig aufgewirbelt, ein bizarres Bild, als schössen grau melierte Flammen aus seinem Kopf. Stadelmann und Winkler waren aus dem Haus geeilt, und während Winkler unverzüglich mit Seeholzer hineinging, rannte Stadelmann zum Helikopter und lud Taschen und Gerätschaften aus. Ich zündete eine Zigarette an, und als ich aufblickte, hievte Stadelmann gerade gemeinsam mit dem Piloten eine offensichtlich schwere Holzkiste aus dem Laderaum, die auf der einen Seite vergittert war, ihr folgte eine zweite, anschließend schleppten sie beide in den Schuppen hinter dem Haus. Dann stieg der Pilot wieder ein und schwerfällig schwankend erhob sich der Helikopter in die Luft. Als er eine gewisse Höhe erreicht hatte, drehte er ab und schwirrte zielstrebig davon.
    Da es gerade nichts zu beobachten gab, rutschte ich auf der von der Hütte abgewandten Seite der Anhöhe hinunter zum schlammigen Bach, wo ich mich notdürftig erfrischte. Eine friedliche Stille herrschte, Vögel zwitscherten und die ersten Strahlen der Morgensonne brachen golden blitzend durchs herbstlich belaubte Geäst. Irgendwie kam ich mir beobachtet vor, jetzt, da ich wusste, dass da noch jemand im Wald herumlungerte.
    Als ich wieder beim Wagen ankam, waren die drei Männer vor das Haus getreten. Sie trugen nun Jagdkleidung, altmodisch aussehende Jacken aus dickem, grünem Stoff, braungraue Hosen, feste Schuhe, rehfarbene Hüte. Jeder trug ein Gewehr über der Schulter und hatte einen Feldstecher um den Hals gehängt. Obwohl Seeholzer bei unserem kurzen Gespräch erwähnt hatte, dass ihn die Jagd langweile, schien er es sich jetzt doch anders überlegt zu haben. Was wohl daran lag, dass September war und die Jagdsaison im Bündnerland gerade begonnen hatte. Ich legte mich ins Gras und robbte vorwärts. Mit dem Handy zoomte ich die drei heran und schoss ein paar Fotos. Der Akku war immer noch halb voll, Empfang hatte ich nach wie vor keinen. Winkler deutete ans andere Ende der Lichtung, wo das Gelände steil abfiel, Stadelmann stand wie unbeteiligt dabei, seine Arme hingen kraftlos herunter. Er sah aus wie eine Marionette, die niemand mehr bediente. Als ihm Seeholzer etwas zurief, zuckte er zusammen, nickte dienstbeflissen und trottete Richtung Scheune davon. Der Bankdirektor suchte mit dem Feldstecher die Felswand ab, dann schüttelte er den Kopf und deutete ebenfalls auf den Abhang. In dem merkwürdig urchigen Aufzug und mit den grauen Haaren, die unter seinem Tirolerhut hervorragten, erinnerte er mich an eine der gruseligen Gestalten, die in volkstümlichen Fernsehsendungen steif hin- und herwankend und mit dem Fuß den Takt stampfend folkloristische Schlager darboten. Wäre da nicht dieser eisige Blick gewesen.
    Ich machte ein weiteres Foto, dann schwenkte ich nach rechts, wo Stadelmann im Schuppen verschwunden war. Genau in dem Moment schossen sie heraus, mit schäumenden Lefzen, die gewaltigen Kiefer aufgerissen, blutrünstige Bestien, zwei schwarze, muskelbepackte Teufel, die, ohne zu zögern, direkt auf Seeholzer zujagten. Ein dürres Rezessionslächeln umspielte seine Mundwinkel, als die beiden

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