Fangschuss
um unglaubliche Mengen, und das war genau das, was ich suchte. Ein großer Deal, richtig abkassieren und dann aussteigen. Mit Ness. Ich fand über Umwege raus, dass alles über Winkler lief, und stattete ihm einen Besuch ab. Doch er weigerte sich, mich weiterzuvermitteln. Sagte, er wisse von nichts. Ich ging mehrmals hin und bedrängte ihn, flehte ihn an, bettelte, schließlich platzte ihm der Kragen und wir hatten voll den heftigen Streit. Ich drohte, ihn auffliegen zu lassen, ich ahnte ja jetzt, dass dort was ganz Krummes gedreht wurde. Da gab er plötzlich nach, und Mann, ich war so krass versessen auf den Deal, dass ich nicht einmal misstrauisch wurde. Wenige Stunden später rief er mich an und bestellte dreihundert Gramm Koks, die ich am nächsten Tag in St. Moritz abzuliefern hätte. Klang alles ganz easy, ich stieg sofort drauf ein. Auch wenn es nicht ganz einfach war, solch eine Menge Kokain in so kurzer Zeit zu beschaffen. Aber meine Mitbewohner und ich haben so unsere Quellen.
Ich fuhr also am Samstagmorgen mit dem Zug nach St. Moritz, und als ich ausstieg, standen da drei Shipis, die mir sehr bekannt vorkamen. Alles kleine Haschdealer, die ich schon bei Winkler gesehen hatte. Wir machten uns flüchtig bekannt. Edi, Tarik und Ardim hießen sie, wenn ich mich richtig erinnere. Alles voll cool, auch wenn wir kaum miteinander sprachen, sie konnten nur wenig Deutsch. Zwei Typen in grauen Anzügen holten uns kurz darauf mit einer Limousine ab und fuhren uns zu einem Helikopterlandeplatz. Da wurde ich dann doch stutzig. So verliefen diese Deals normalerweise nicht. Doch sie baten uns äußerst höflich einzusteigen, und ich zögerte nur kurz, schließlich war ich scharf auf das Geld. Wir flogen nicht lange, eine Viertelstunde vielleicht oder zwanzig Minuten, und als wir landeten, standen wir vor der Jagdhütte, wo uns dieser Typ begrüßte.«
»Doktor Seeholzer?«, unterbrach ich ihn.
»Keine Ahnung, Mann. Der mit den langen grauen Haaren, der ein bisschen aussieht wie ein Bundesrat. Schien der Boss zu sein.«
Ich nickte. Eindeutig Seeholzer.
»Da waren noch andere Leute, alles ältere Herren. Ein fetter Chinese, zwei Russen, Deutsche und ein paar Schweizer, offensichtlich gut betuchte Bankkunden, Bonzen, die dieser Seeholzer zu einem Wochenende in den Bergen eingeladen hatte.«
»Man muss das Geld in diesen schwierigen Zeiten an sich binden«, warf ich ein.
Er grinste schwach. »Korrekt, Mann. Ihnen etwas Besonderes bieten. Und genau das tat Seeholzer. Er bot ihnen etwas ganz Besonderes. Sie trugen alle lächerliche Trapperkleidung, in einer Ecke standen Gewehre. Eine Jagdgesellschaft, dachte ich und fragte mich, wozu sie dann die ganzen Drogen brauchten. Vielleicht hatten sie alle irgendwelche viel jüngeren Tussis, die sich in einem der Luxushotels in St. Moritz langweilten. Dafür ist das Kaff ja bekannt, da wird beinahe mehr geschnupft als in New York. Selbst im Hochsommer absolut schneesicher. Doch ich erfuhr den wahren Grund schneller, als mir lieb war. Wir legten unsere Ware auf den Tisch, danach wurden wir mit Getränken und Sandwiches versorgt. Bis dahin war alles cool, alles voll easy. Ich wartete auf die Kohle und wollte danach so rasch wie möglich abhauen. Doch plötzlich veränderte sich die Stimmung, und ich dachte noch, aber hallo, was für eine abgefahrene Sache ist denn das. Die Spannung stieg spürbar, es war, als rückten sie näher, und sie hatten alle diesen merkwürdigen Blick drauf. Drohend, gefährlich und irgendwie auch gierig. Lüstern. War echt krass, Mann. Und dann ließ der dicke Chinese plötzlich sein Glas fallen. Es war, als wäre der Bann gebrochen. Alle zuckten zusammen, und ich sprang, ohne zu überlegen, zur Tür, riss sie auf und rannte, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt bin. Die drei Shipis folgten mir, ich hörte sie hinter mir keuchen. Ich hatte keine Ahnung, in welche Richtung ich fliehen sollte, ich rannte einfach geradeaus, über die Lichtung auf den Wald zu. Hinter uns knallte ein Schuss. Ich blickte zurück und sah die Männer aus der Hütte laufen, sie hielten jetzt alle Gewehre in der Hand. Ein weiterer Schuss wurde abgegeben, direkt neben mir gab es ein dumpfes Geräusch und Erde wirbelte auf. Es dauerte einen Moment, bis ich kapierte, was abging.
›Lauft!‹, schrie ich den Shipis zu, aber das wäre echt nicht nötig gewesen. Wie gehetzte Karnickel rannten sie im Zickzack den Hang hinauf, es hätte echt lustig ausgesehen, wären nicht die ganze
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