Fanny Hill
mit der sie sich Emilys angenommen hatte.
Es war nicht so leicht, unserer Gesellschaft den Verlust eines so süßen Mitgliedes zu ersetzen. Abgesehen von ihrer Schönheit, war Emily von so sanftem, nachgiebigem Wesen, dass, wenn man es auch nicht sehr hoch schätzen, so doch sicher lieben musste, was kein schlechter Ersatz ist. Ihre Schwäche war ihre Gutherzigkeit und ihr träger Leichtsinn, aber sie hatte doch Verstand genug, zu wissen, dass sie einer Leitung bedurfte und so war sie jedem dankbar, der sich die Mühe nahm, für sie zu denken und sie zu führen; mit sehr wenig Nachsicht hätte sie eine sehr gute, ja sogar sehr tugendhafte Ehefrau gegeben. Denn das Laster war ja weder ihre Wahl noch ihre Bestimmung gewesen, es war nur Gelegenheit und Beispiel; sie war zu schwach und so gab sie den Umständen nach. Ihr weiterer Lebenslauf beweist das; denn als sie bald nachher eine Partie fand, einen jungen, tüchtigen Menschen aus ihrem Stande, der sie als Witwe eines auf der See Umgekommenen heiratete, — tatsächlich war dies auch das Schicksal eines ihrer Geliebten gewesen, dessen Namen sie angenommen hatte — so fand sie sich ganz natürlich in alle Pflichten der Häuslichkeit und mit so viel Ordnung, Liebe und Ausdauer, als ob sie nie vom Wege unschuldiger Tugend abgewichen wäre.
All diese Desertionen hatten Frau Cole’s Häuflein so klein gemacht, dass ich ihr jetzt als das einzige Küchlein übrig geblieben war. Man bat sie und ermunterte sie, ihr Corps wieder zu rekrutieren, aber eine zunehmende Schwäche und die Gicht verleideten es ihr, so dass sie beschloss, ihr Gewerbe ganz aufzugeben und sich mit ihrem ganz anständigen Vermögen aufs Land zurückzuziehen. Ich versprach ihr, dahin nachzukommen, sobald ich noch etwas mehr vom Leben gesehen hätte und mein kleines Vermögen sich soweit vermehrt haben würde, um unabhängig leben zu können; denn ich war, dank Frau Cole’s guter Erziehung, darauf gekommen, diesen sehr wesentlichen Punkt im Auge zu behalten.
So musste ich also meine treue Führerin verlieren, wie die Philosophen der Stadt die weiße Krähe ihres Gewerbes. Sie hatte wirklich nie ihre Kunden überfordert und stets deren Geschmack sorgfältig studiert; sie hat nie von ihren Zöglingen Unmögliches verlangt, noch nahm sie ihnen was von ihrem, wie sie sagte, harten Verdienst. Sie war eine strenge Feindin der Verführung einer Unschuld und gründete ihren Erwerb nur auf unglückliche Mädchen, die, schon einmal verloren, desto würdiger des Mitleids sind. Unter diesen suchte sie sich allerdings diejenigen aus, die ihren die ihren Absichten am besten entsprachen, und rettete sie, indem sie sie zu sich nahm, vor der Gefahr des öffentlichen Unterganges, Elends und Verderbens. Sie war eine vortreffliche Bordellmutter. Nachdem sie alle ihre Angelegenheiten geordnet hatte, trat sie ihre Reise an; sie nahm zärtlichen Abschied von mir und gab mir noch viele vortreffliche Ratschläge; ich war so gerührt, dass ich mir heimlich Vorwürfe machte, sie nicht zu begleiten, aber das Schicksal hatte es anders mit mir beschlossen.
Ich hatte nach der Trennung ein angenehmes, bequemes Haus in Marylebone bezogen, das leicht zu vermieten war und das ich sauber und bescheiden einrichtete. Ich hatte mir unter Frau Cole achthundert Pfund erspart, abgesehen von Juwelen, Kleidern und einigem Silbergeschirr, so dass ich für einige Zeit versorgt war und geduldig erwarten konnte, was mir das Geschick bringen wollte.
Ich gab mich für eine junge Frau von Stande aus, deren Mann auf See war, und verschaffte mir auf diese Weise volle Freiheit und Achtung und konnte meine Absichten ungestört verfolgen.
Ich war in meiner neuen Wohnung kaum noch recht warm, als ich eines Morgens auf einem Spaziergang ins Freie, auf dem mich mein Mädchen begleitete, vom Geräusch eines heftigen Hustens aus den Bäumen hervor aufgeschreckt wurde. Der Huster war ein ältlicher, Gutgekleideter Herr, der einen heftigen Anfall hatte und sich dabei unter einen Baum setzen musste, und schien fast zu ersticken, denn er war schon ganz blau im Gesichte; ich war davon ganz gerührt, sprang mitleidig zu ihm hin und band ihm, um ihm zu helfen, seine Halsbinde auf und klopfte ihm auf den Rücken. Ob ihm dies geholfen hat oder ob der Anfall überhaupt vorüber war, weiß ich nicht; aber jedenfalls konnte er jetzt wieder sprechen, stand auf und dankte mir mit Worten, als wenn ich ihm das Leben gerettet hätte. Damit kamen wir ins Gespräch, er sagte
Weitere Kostenlose Bücher