Fantasien der Nacht
und ihre Sorge um ihn überschattete ihre dräuenden Zweifel. „Ich weiß, dass ich von ihnen nichts zu befürchten habe, Eric, aber so wie die Dinge liegen, gilt das nicht für dich. Bitte geh, bevor sie zurückkommen.“
„Ich werde mich nicht aus Furcht vor ihnen verkriechen.“
„Aber Roland könnte ebenfalls in Gefahr schweben. Wenn sie irgendein Mittel haben, und er lässt sie zu nah an sich herankommen …“
Daraufhin runzelte er die Stirn und nickte. „Dann werde ich gehen … fürs Erste zumindest.“ Wieder zog er ihren Oberkörper zu sich heran, küsste ihren Hals, dann die Vertiefung unmittelbar unter ihrem Ohrläppchen und schließlich das Ohr selbst. „Obgleich es mir schier unerträglich ist, dich allein zu lassen.“
Sie schloss die Augen und ließ den Kopf zurücksinken, um seinem Mund leichteren Zugang zu gewähren. Die Gefühle, die er durch ihren Körper sandte, würden ihren gesunden Menschenverstand innerhalb weniger Sekunden überwältigt haben. Ihre Finger vergruben sich in seinem Haar, und der Atem stockte ihr in der Kehle. Seine Lippen bahnten sich küssend einen Pfad zu den ihren, ehe er sich an ihrem Mund und ihrer Zunge gütlich tat, als wären sie seine Henkersmahlzeit. Als er sich schließlich von ihr löste, klammerte sie sich an ihm fest.
Sie presste ihre feuchten Lippen gegen sein Ohr. „Ich wünschte, du könntest bleiben. Ich begehre dich so sehr, dass es wehtut.“ Sie spürte, wie er als Reaktion auf ihre Worte und ihre Berührung erzitterte.
„Es ist zu früh dafür – du hast schon so viel durchgemacht.“ Sanft drückte er sie in die Kissen zurück. „Ich werde dich jetzt allein lassen, aber ich bleibe in deiner Nähe. Falls irgendjemand versucht, dir etwas anzutun, ruf nach mir. Du weißt, dass ich dich hören werde.“
„Ich weiß.“
Er verließ sie auf demselben Weg, den er gekommen war, und Tamara schien es, als habe er einen Teil von ihr mitgenommen.
Keith
11. KAPITEL
Sie schloss das Fenster, kehrte in ihr Bett zurück und gab vor, zu schlafen, obwohl sie hellwach und von innerer Unruhe erfüllt war. Daniel kam einige Minuten später wieder, nachdem Eric sie verlassen hatte, und nahm in der Nähe des Fensters Platz. Tamara beachtete ihn nicht. Sie war noch nicht bereit, sich mit ihm auseinanderzusetzen, auch wenn sie wusste, dass das unumgänglich war. Sie musste aus seinem eigenen Mund hören, dass Eric mit seinen Vermutungen falschlag.
Der Morgen dämmerte herauf, und Tamara konnte den Fängen des Schlafs nicht länger entrinnen. Allmählich hüllte er sie ein und zog sie in tiefen Schlummer. Als ihre Augen nur einen Moment später aufflogen, sah sie, wie die letzten Strahlen des orangefarbenen Sonnenlichts langsam am Himmel verblassten. Daniels Stuhl war leer.
Sie wartete, lag still und reglos da, während das Leben allmählich in ihren Körper zurückkehrte. Es schien unglaublich, dass sie bereits zum zweiten Mal hintereinander den ganzen Tag verschlafen hatte, so gefangen in ihrem Schlummer, dass sie nicht gemerkt hatte, wie die Zeit vergangen war.
Ausgeruht und energiegeladen schlug sie die Decke zurück und begann auf der Suche nach ihren Kleidern Schubladen und Schranktüren zu öffnen. Sie hatte genug davon, eingesperrt zu sein. Das Einzige, was sie an Kleidung fand, waren ihr Nachthemd und ihr langer Mantel mit Hahnentrittmuster. Sie seufzte erleichtert, als sie auch ihre Stiefel im Schrank vorfand.
Vor der Tür hielt gerade niemand Wache. Sie nahm an, dass Daniel mutmaßte, sie müsse lediglich nach Sonnenuntergang bewacht werden. Sie sorgte für einigen Wirbel, als sie den Krankenschwestern bei dem Tresen im Hauptgang mitteilte, dass sie jetzt gehen würde. Entlassungspapiere müssten unterzeichnet und Ärzte benachrichtigt werden. Sie könne nicht einfach so verschwinden. Gelassen verlangte sie, man möge ihr unverzüglich sämtliche Papiere vorlegen, die unterschrieben werden müssten. Sie hatte bereits telefonisch ein Taxi gerufen, und sie war fest entschlossen, fertig zu sein, wenn es kam.
Weniger als eine halbe Stunde später marschierte sie durch die imposante Eingangstür des heruntergekommenen Hauses, das die letzten zwanzig Jahre über ihr Zuhause gewesen war. Daniel stand direkt hinter der Tür; er war gerade dabei, seinen Mantel anzuziehen. Er blickte auf und war überrascht, sie zu sehen. Als sie sein Lächeln nicht erwiderte, erstarb es allmählich.
„Wir müssen reden“, war alles, was sie zur Begrüßung
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