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Farben der Schuld

Farben der Schuld

Titel: Farben der Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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nicht.«
    »Was?«
    »Ich ruf dich wieder an.«
    Er legt auf, steigt aus, tritt durch das Gartentor. Langsam, um den Jungen nicht zu erschrecken, der jetzt auf ihn aufmerksam wird und ihn ansieht, aus wachen hellbraunen Augen.
    »Willst du zu meiner Mama?«
    Manni nickt. »Ja, genau.«
    »Zu mir?« Eine Frau richtet sich auf, sie trägt einen Overall und grüne Plastikgaloschen und ihre Hände sind von Erde verkrustet, was ihrer Attraktivität jedoch keinen Abbruch tut. Ende 30 schätzt Manni, patent. Typ Naturkind. Sie pustet sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
    »Was …?«
    »Kriminalpolizei.« Er hält ihr das Foto von Röttgens Jungen hin.
    »O Gott.« Sie weicht einen Schritt zurück. »Jetzt ist es aus.«
    Der Junge hört auf zu schaukeln, rennt zu ihr hin. »Mama was ist?«
    Sie fährt ihm durchs Haar. »Ich muss drinnen was mit diesem Herrn hier besprechen. Bleib du noch hier und spiel schön, Lukas, ja?«
    Der Junge zieht einen Flunsch, Manni folgt der Frau ins Haus. ›Verena und Lukas Neubauer‹ steht auf dem Türschild.
    »Georg Röttgen ist der Vater Ihres Sohns«, sagt Manni, als sie in der Wohnküche sind.
    »Ja.« Sie lehnt sich an die Spüle. »Eine kurze Affäre. Aussichtslos. Ich habe Georg seitdem nur sehr selten gesehen. Es war ihm ganz schrecklich, dass ich ein Kind bekam. Niemand durfte davon erfahren, sonst hätte er seinen Beruf verloren.« Sie spricht ohne Groll. Als sei es das Normalste von der Welt. »Ich aber wollte ein Kind, unbedingt. Ich war 38, als Lukas kam. Da wartet man nicht. Die meisten Männer wollen ja lieber nicht.«
    »Dieses Foto von Lukas hing in Röttgens Wohnzimmer.«
    »Das wundert mich. Er hat nie geantwortet, wenn ich ihm eins schickte.«
    »Sie hassen ihn nicht.« Es ist keine Frage, ist nur die Zusammenfassung dessen, was er an ihr wahrnimmt.
    Verena Neubauer nickt. »Er war, wie er war. Er hat mir Lukas geschenkt. Und auf seine Weise hat er für uns gesorgt, genauer gesagt seine Kirche. Finanziell.« Sie lächelt. »Schweigegeld. Ich dachte, vielleicht, wenn ich stillhalte, selbst jetzt noch, nach seinem Tod …«
    »Dann zahlt die Kirche einfach immer weiter. Und zur Sicherheit haben Sie sich noch einen neuen Freund zugelegt.«
    »Wie bitte?«
    »Der Mann, der gestern Abend bei Ihnen war.«
    »Hartmut Warnholz? Der ist nicht mein Freund.«
    »Wer könnte einen Grund haben, Georg Röttgen zu töten?«
    Sie starrt Manni an. »Ich war es nicht, wirklich nicht und ich weiß auch nicht, wer das getan haben könnte. Aber ich glaube, er hat noch mit einer anderen Frau ein Kind.«
    ***
    Es ist eng hier. Finster. Alles tut ihr weh, sie kann sich nicht bewegen. Etwas summt und brummt, schwillt an, ebbt ab. Nur in ihrem Kopf oder hört sie das wirklich? Bat reißt die Augen auf, hält den Atem an, konzentriert sich. Es nutzt nichts, sie kann dieses Geräusch trotzdem nicht orten. Sie wimmert. Wo ist sie, warum, was ist passiert?
    Er hat ihr die Arme und Beine mit Paketklebeband gefesselt. Auch ihren Mund hat er verklebt. Irgendwann war es mal nicht so schwarz, ein winziger Lichtstrahl quoll durch eine Ritze über ihr, aber vielleicht hat sie das nur geträumt. Jetzt ist alles schwarz, vielleicht ist es also Nacht. Noch eine Nacht. Wie lange ist sie schon hier? Lange, lange. Eine Ewigkeit.
    Sie ist allein, so allein. Warum kommt niemand, sie zu retten? Warum lässt selbst Fabi sie ihm Stich? Sie wollte doch zu ihm, deshalb ist sie doch wieder aus dem Haus geschlichen, nachdem diese coole Kommissarin sie heimgefahren hatte. Sie wollte zu Fabi, ihm alles erzählen. Was genau ist dann passiert, warum kann sie sich nicht erinnern? Jemand hat ihr etwas zu trinken gegeben. Saft. Drogensaft. War es so oder bildet sie sich das nur ein?
    Saft. Trinken. Sie hat solchen Durst, ihr Kopf dröhnt und brummt und ihre Nase ist verstopft, das Atmen fällt schwer. Wie lange kann man überhaupt überleben, in einem winzigen Raum ohne Fenster? Wie lange reicht der Sauerstoff? Sie versucht die Lippen zu bewegen, den Mund frei zu bekommen, vergebens. Bitte. Mami. Wieso denkt sie das? Ihre Mutter kann ihr nicht helfen.
    Ihre Finger sind schon ganz taub, so fest hat er ihr die Handgelenke umwickelt. Mit großer Mühe bewegt sie die Fingerspitzen, drückt sie aneinander. Auf den Bildern in ihrer Kinderbibel haben die Kinder manchmal so gebetet, nicht mit gefalteten Händen, sondern mit ordentlich aneinandergelegten Fingern. Ihr Atem rasselt, sie saugt die staubige, stickige Luft ein, bewegt ihre

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