Farben der Schuld
sein wollten. Aber das war in Ordnung, konnte Jana und Bat nicht voneinander entfremden. Erst als dieser Lars kam, mit seinen tollen Reden von Janas Karriere und seinen angeblich so tollen Kontakten in der Musikindustrie, zog sich Jana von Bat zurück. Dabei sollte Bat doch dabei sein, wenn Jana ihren Durchbruch als Sängerin feierte, Bat sollte doch Janas Managerin sein, so hatten sie das geplant.
Bat kickt eine leere Getränkedose in Position, springt mit dem Stiefelabsatz darauf. Einmal, noch einmal. Das Metall gibt krachend nach, zerbirst. Sie hätte besser aufpassen müssen, dann würde Jana noch leben. Wenigstens nach Janas Tod hätte sie schneller sein müssen. Aber als sie endlich fähig war, zu seinem Studio zu gehen, war er verschwunden und keiner wollte ihr sagen, wo er war. Der ist weit weg, Kleine, such dir jemand anders für deinen Plattenvertrag. Bat bleibt stehen, erinnert sich plötzlich an die blöde Mackerkarre, mit der Lars vom Lunaclub weggefahren ist, sieht sie förmlich vor sich. Ein Kölner Kennzeichen, das immerhin hat sie erkannt. Lars muss also hier leben und das heißt, dass es auch ein Studio gibt, wo er arbeitet und dass sie das finden kann.
***
Im Polizeipräsidium wirkt alles unverändert, und für einen irrwitzigen Augenblick glaubt sie beinahe, alles sei tatsächlich wie immer und die letzten Wochen waren nur ein böser Traum. Im Stockwerk des KK11 empfangen sie die gedämpften Geräusche einer auf Hochtouren agierenden Mordkommission: Stimmengemurmel, Telefonklingeln, das Klackern von Computertastaturen und als Begleitmelodie das stete Gurgeln und Zischen der Kaffeemaschinen.
»Judith!«
Axel Millstätt kommt ihr auf dem Flur entgegen und führt sie unverzüglich in sein Büro, die rechte Hand leicht auf ihre Schulter gelegt, als gelte es zu verhindern, dass sie flieht. Sie widersteht dem Impuls, ihn abzuschütteln, das Gefühl von Vertrautheit verfliegt. Im Vorbeigehen erhascht sie einen Blick auf Ralf Meuser und Holger Kühn, die mit angestrengten Gesichtern etwas auf Meusers PC-Monitor studieren. Von Manni ist nichts zu sehen, und die Tür zu ihrem eigenen, winzigen Eckbüro ist verschlossen.
»Du siehst noch sehr blass aus.« Der Kommissariatsleiter dirigiert sie zu seinem Besprechungstisch. »Kaffee?«
»Gern.«
Er schenkt ihr ein, rückt umständlich Milch und Zucker zurecht.
»Du willst also wieder einsteigen, Montag schon.«
»Halbe Tage zunächst.« Sie hebt ihren linken Arm, bewegt die Finger, so gut es geht. »Ich muss ja noch ziemlich oft zur Physiotherapie. Aber der Amtsarzt und meine Krankenkasse geben für einen schrittweisen Wiedereinstieg grünes Licht.«
»Wir können tatsächlich Unterstützung gebrauchen. Aber was dich angeht – ich halte das für verfrüht.« Millstätt rührt Zucker in seinen Kaffee, der schwarz ist wie seine Augen, mit denen er Judith fixiert.
»Warum?«
»Das Ermittlungsverfahren gegen dich läuft noch.«
»Andere Kollegen arbeiten in einer vergleichbaren Situation aber auch.«
»Es sei denn, sie sind freigestellt.«
»Ja, natürlich.« Sie zwingt sich, ihm ruhig in die Augen zu sehen.
»Niemand kann dich hier mit Samthandschuhen anfassen, Judith.«
»Das erwarte ich auch nicht. Aber ich denke, ihr habt einen ziemlich brisanten Fall …«
»Der Priestermord, ja.«
»Das Opfer ist also wirklich ein Priester?«
»Nein. Ein Chirurg.«
Millstätts Blick gleitet zu den Tatortfotos an seinem Magnetbord.
»Aber?«, fragt sie leise.
»Die Tatumstände machen mir Sorgen.«
Judith steht auf, betrachtet die Fotos. Die Kirche, denkt sie. Sankt Pantaleon. Der Täter hat einen Bezug zu ihr, er hat sie ausgewählt, hat seine Tat dort bewusst inszeniert. Stimmt das oder bilde ich mir das nur ein? War der Täter letzte Nacht im Kirchenpark, plant er noch weitere Morde? Habe ich deshalb diese Panik gefühlt?
MÖRDER. Mehrere Fotos zeigen die Botschaft des Täters. Darauf war sie nicht vorbereitet, sie atmet scharf ein. Mörder. Mörderin. Wenn sie sich in jener Nacht in diesem Haus anders verhalten hätte, würden zwei Menschen wahrscheinlich noch leben. Zwei Menschen, von denen einer ein Mörder war. Stopp, Judith, stopp. Nicht jetzt. Nicht hier.
»Ist dir nicht gut?« Millstätt betrachtet sie.
»Doch, doch, alles okay.«
Er glaubt ihr nicht, das kann sie spüren. Sie setzt sich wieder an den Besprechungstisch, schafft es, einen Schluck von dem wie immer zu bitteren Maschinenkaffee zu trinken. Einatmen, ausatmen. Warten. Ruhig
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