Farben der Sehnsucht
sowieso nicht mehr lange gelebt.«
»Das weiß ich, aber ich will Paris trotzdem noch nicht von der Liste streichen.«
»Okay, dann lassen wir sie noch drauf. Was ist mit diesem Versicherungsmenschen - Richardson?«
»Klarer Fall«, schnaubte Cagle. »Er schaut auf einen Besuch mit seiner Freundin vorbei - die keinerlei Erbansprüche hat, wenn man Reynolds Glauben schenken kann, und daher keinerlei Interesse an Ediths Tod. Aus völlig unerfindlichen Gründen beschließt er, die alte Dame umzubringen, und das auch noch per Fernsteuerung, denn laut Dishler ist Richardson erst um elf Uhr nach Hause gekommen.«
»Du hast recht«, sagte Flynn. »Ich bin doch schon müder, als ich dachte. Ich hatte ganz vergessen, daß er ein Alibi hat.« Damit strich er auch Paul Richardson. »Dann hätten wir noch Carter Reynolds. Er sagte, daß er auch erst gegen elf Uhr heimgekommen ist, und Dishler hat das bestätigt, aber er könnte auch für seinen Boß gelogen haben.«
Cagle nickte. »Dishler wohl, aber ich glaube nicht, daß Senator Meade gelogen hat. Er hat heute früh schon angerufen und eine sofortige Verhaftung des Schuldigen verlangt.«
»Und?«
»Captain Hocklin sagte, daß der Senator während seines Wutanfalls auch erwähnt hat, daß er gestern abend mit dem armen Reynolds Karten spielte, während der Mord geschehen sein muß.«
»Woher wußte er denn den Zeitpunkt des Mordes?«
»Es wurde doch in allen Nachrichtensendungen darüber berichtet.«
»Stimmt«, sagte Flynn mit einem Seufzer. »Außerdem hat Reynolds kein Tatmotiv. Er ist mit seiner Großmama fast sechzig Jahre lang ausgekommen, und Geld brauchte er sicher auch nicht.«
»Das ist richtig. Außerdem glaube ich nicht, daß seine Reaktion letzte Nacht nur gespielt war. Er wirkte ziemlich durcheinander, und sein Gesicht war ganz grau vor Entsetzen.«
»Das ist mir auch aufgefallen.« Flynn strich Carter Reynolds’ Namen durch. »Dann bleibt uns noch Sloan Reynolds.«
Cagles Gesicht hellte sich auf. »Nun, die ist doch wirklich interessant. Sie hatte ihre Familie vorher nicht gekannt und keinerlei Kontakt zu ihr gehabt, und kaum ist sie da, geschieht ein Mord.«
»Ich weiß, aber es wäre nicht gerade die beste Art und Weise, sich bei ihrer neuen, stinkreichen Familie beliebt zu machen.«
Cagle zögerte noch, Sloan wegen einer so dürftigen Erklärung von der Liste zu streichen. »Sie war da, und sie hatte eine Gelegenheit.«
»Was ist ihr Motiv?«
»Rache, weil sie all die Jahre ausgegrenzt worden war?«
»Na ja. Es hätte mehr Sinn für sie gemacht, die alte Oma am Leben zu halten und sich bei ihr einzuschmeicheln. Sloan war keine Erbin, aber wenn Edith noch etwas länger gelebt hätte, hätte sie sie vielleicht dazu bringen können, ihr auch ein Stückchen von dem großen Kuchen zukommen zu lassen. Jetzt aber muß sie sich mit nichts zufriedengeben.«
»Nichts außer ihrer Rache«, gab Cagle zu bedenken.
»Was ist dein Problem mit Sloan Reynolds?« fragte Flynn mit leicht sarkastischem Unterton, wenngleich er Cagles Verdacht nicht unter den Tisch kehren wollte. Der Junge hatte einen phantastischen Instinkt und war ein scharfer Beobachter, und er verfolgte jede potentielle Spur mit erstaunlicher Ausdauer. »Du hast schon auf ihr herumgehackt, als wir das Haus verließen und eigentlich noch davon ausgingen, daß es sich um einen mißglückten Diebstahl handelte. Inzwischen haben wir es mit handfestem Mord zu tun, und du bist immer noch hinter ihr her.«
»Unter anderem könnte sie es von der Zeit her gewesen sein; sie hat kein Alibi, weil sie am Strand zunächst allein unterwegs war. Außerdem ist mir aufgefallen, wie schlau sie uns davon in Kenntnis gesetzt hat, daß Edith Reynolds zwar nicht behindert war, aber sich nur schwer bewegen konnte. Ich hatte das Gefühl, sie hat unseren Verdacht durchschaut, daß Edith Reynolds ihren Mörder gekannt haben muß, weil sie nicht versucht hat zu fliehen.«
Flynn dachte darüber nach und nickte dann langsam. »Das kaufe ich dir ab, aber sie scheint mir dennoch nicht auf den Typ der vorsätzlichen Mörderin zu passen. Man muß schon sehr von dem Wunsch nach Rache besessen sein, um sich eine Waffe zu besorgen, den Mord genau zu planen und dann eine hilflose alte Lady kaltblütig zu erschießen. Überdies, wenn sie sich wirklich dafür rächen wollte, daß sie all die Jahre ausgeschlossen worden war, wieso hat sie dann nicht lieber ihren Daddy erschossen?«
Cagle trommelte mit seinen Fingern auf den
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