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Farben der Sehnsucht

Titel: Farben der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaugth
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Telefonhörer wieder auf. »Mit wem, sagten Sie, wollten Sie sprechen?«
    »Sloan Reynolds«, erwiderte der andere Mann ungeduldig.
    »Und Ihr Name ist?«
    »Carter Reynolds.«
    Ingersoll fiel die Kinnlade herunter. »Sagten Sie Carter Reynolds ?«
    »Genau das sagte ich. Ich möchte jetzt sofort mit Sloan sprechen.«
    Ingersoll drückte wieder die Wartetaste, kreuzte die Arme über der Brust und stand auf, während er Sloan mit einer Mischung aus Ehrfurcht, Anklage und ungläubigem Erstaunen anstarrte. »Kann es vielleicht sein, daß Ihr Vater Carter Reynolds heißt?«
    Der Name des in der Öffentlichkeit wohlbekannten Finanzhais aus San Francisco explodierte im Raum wie eine Bombe und hatte den verblüffenden Effekt, daß plötzlich eine unheimliche Stille eintrat. Sloan - in jeder Hand eine Kaffeetasse - blieb kurz wie angewurzelt stehen und ging dann mit gespielter Ruhe weiter. Die ihr vertrauten Gesichter im Raum hatten sich ihr mit einem neuen Ausdruck von Verwunderung und mißtrauischem Erstaunen zugewandt. Sogar Sara fehlten offensichtlich die Worte. Ingersoll nahm seine Kaffeetasse aus Sloans Händen entgegen, blieb dann aber an ihrem Schreibtisch stehen, augenscheinlich nicht gewillt, sich auch nur ein Wort von ihrem Gespräch entgehen zu lassen.
    Sloan nahm kaum Notiz von ihrer Umgebung. Sie hatte ihr ganzes bisheriges Leben ohne ihren Vater zugebracht, und er hatte es nicht einmal für nötig befunden, ihr zu Weihnachten oder zum Geburtstag eine Karte zu schicken. Was immer der Grund für sein plötzliches Auftauchen sein mochte, es hatte sie nicht sonderlich zu interessieren. Sie war fest entschlossen, ihm das so kühl und ungerührt wie möglich mitzuteilen und die Sache damit auf sich beruhen zu lassen. Behutsam stellte sie ihre Tasse auf ihren Schreibtisch, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, nahm den Hörer auf und legte ihn an ihr Ohr. Ihr Finger zitterte ein wenig, als sie den blinkenden Knopf drückte, der den Anrufer durchstellte. »Ja. Hier spricht Sloan Reynolds.«
    Sie hatte noch nie seine Stimme gehört und stellte nun fest, daß sie kühl und kultiviert klang und in diesem Moment einen amüsierten und anerkennenden Unterton trug. »Du klingst sehr professionell, Sloan.«
    Er hatte kein Recht, das zu sagen; er hatte kein Recht, irgendeine Meinung zu ihrem Verhalten zu äußern, und sie mußte an sich halten, um ihm dies nicht unverzüglich mitzuteilen und aufzulegen. »Dein Anruf kommt im Moment sehr ungelegen«, sagte sie statt dessen. »Du versuchst es besser zu einem anderen Zeitpunkt.«
    »Wann?«
    Ein Zeitungsfoto, das sie kürzlich von ihm gesehen hatte, schoß ihr durch den Kopf: Auf ihm war ein gutaussehender, sportlicher Mann mit stahlgrauen Haaren zu sehen gewesen, der mit Freunden in einem Country Club in Palm Beach Tennis spielte. »Sagen wir, in etwa dreißig Jahren?«
    »Ich mache dir keinen Vorwurf, daß du nicht gerade erfreut über meinen Anruf bist.«
    »Du machst mir keinen Vorwurf, daß ich nicht erfreut bin?« stieß Sloan sarkastisch hervor. »Das ist aber sehr großzügig von Ihnen, Mr. Reynolds.«
    Er unterbrach sie auf höfliche, aber ungeheuer selbstbewußte Art. »Wir wollen nicht gleich bei unserer ersten Unterhaltung streiten, Sloan. Du kannst mir meine Versäumnisse als Vater bald persönlich vorwerfen, genauer gesagt in zwei Wochen.«
    Sloan nahm für einen Moment den Hörer vom Ohr und starrte ihn verwirrt und verärgert an, bevor sie ihn wieder zurücklegte und erwiderte. »In zwei Wochen? Persönlich?... Tut mir leid, aber es interessiert mich nicht, was du mir zu sagen hast!«
    »Doch, es interessiert dich«, gab er zurück, und Sloan konnte nicht umhin, einen Anflug wütender Bewunderung für seine Unverblümtheit zu empfinden, die sie offensichtlich daran hinderte, einfach aufzulegen. »Vielleicht hätte ich dir vorher einen Brief schreiben sollen; aber ich dachte, ein Anruf würde die Angelegenheit schneller erledigen.«
    »Ach ja? Welche Angelegenheit gibt es denn zwischen uns zu erledigen?«
    »Ich...« Er zögerte. »Deine Schwester und ich hätten gerne, daß du mit uns für ein paar Wochen nach Beach kommst, damit wir uns kennenlernen können. Ich hatte vor sechs Monaten einen Herzanfall...«
    »Beach«, so vermutete Sloan, war wohl ein Insider-Ausdruck für Palm Beach. »Ich habe in der Zeitung davon gelesen«, sagte sie mit gespielter Gleichgültigkeit und gab ihrem Vater damit indirekt zu verstehen, daß sie sein Leben nur aus den

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