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Farben der Sehnsucht

Titel: Farben der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaugth
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Medien kannte. Palm Beach war zwar eigentlich nicht weit von Bell Harbor entfernt, aber für sie lag es in mancher Hinsicht in einer anderen Galaxie. Um damit auch das eigene Prestige etwas zu heben, brachte die Stadtzeitung von Bell Harbor in ihrer Sonntagsausgabe immer den neuesten Klatsch aus ihrer illustren Nachbarstadt, und auf diese Weise wurde Sloan über das Leben ihres prominenten Vaters und ihrer verwöhnten Schwester immer auf dem laufenden gehalten.
    »Ich möchte, daß wir uns kennenlernen, bevor es zu spät ist.«
    »Ich kann einfach nicht glauben, was du da sagst!« stieß Sloan wütend hervor und ärgerte sich darüber, daß ihr wider Willen die Tränen in die Augen stiegen. »Es ist doch schon viel zu spät! Ich habe nicht den geringsten Wunsch, dich kennenzulernen, nach all den Jahren...«
    »Und was ist mit deiner Schwester?« fragte er etwas sanfter. »Willst du sie auch nicht kennenlernen?«
    Vor Sloans innerem Auge blitzte wieder das Foto aus dem Country Club auf: Ihre Schwester, Paris, war auf dem Bild die Tennispartnerin ihres Vaters. Sie hatte ihren Kopf mit den dunklen Haaren triumphierend zurückgeworfen und holte gerade zu einem schwungvollen Schlag aus, und sie sah keineswegs so aus, als würde sie in ihrem Leben etwas vermissen. »Ich will sie genausowenig kennenlernen wie sie mich«, erwiderte Sloan, doch sie hatte den Eindruck, als würden ihre Worte hohl und leer klingen.
    »Paris hat das Gefühl, daß etwas sehr Wichtiges in ihrem Leben fehlt, weil sie dich nie getroffen hat.«
    Den Berichten nach zu schließen, die Sloan über Paris gelesen und gehört hatte, war das Leben ihrer Schwester bisher eine endlose Reihe von aufregenden Ereignissen gewesen - von den zahlreichen Tennis- und Reittrophäen, die sie errungen hatte, bis zu den luxuriösen Partys, die sie in San Francisco und Palm Beach zusammen mit ihrem Vater gab. Paris Reynolds besaß mit ihren einunddreißig Jahren Schönheit, Selbstsicherheit und Reichtum im Überfluß, und bisher hatte sie keinen Wert darauf gelegt, Sloan an ihrem Leben teilhaben zu lassen. Diese Tatsache hinderte Sloan daran, ihren nachlassenden Widerstand gänzlich aufzugeben und von ihrem Vorsatz, mit dem wohlhabenden Teil ihrer Familie keinerlei Kontakt zu pflegen, abzuweichen. »Ich habe einfach kein Interesse«, sagte sie fest. »Auf Wiedersehen.«
    »Ich habe heute mit deiner Mutter gesprochen. Sie ist anderer Meinung als du, und ich hoffe, daß sie dich dazu bewegen kann, dir die ganze Sache noch einmal zu überlegen«, sagte ihr Vater noch, bevor Sloan den Hörer auflegte. Sie zitterte zwar merklich, wollte sich aber vor ihren Kollegen nicht gehenlassen. »Das hätten wir also«, sagte sie daher mit gespielter Fröhlichkeit. »Jetzt muß ich mich aber auf die Socken machen; meine Kursteilnehmer warten schon auf mich.«

5
    Während Sloan mit festen Schritten auf den Unterrichtsraum zuging, versuchte sie ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen und sich ganz auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
    Kurz darauf betrat sie das Zimmer, schloß die Tür hinter sich und schenkte ihren Schülerinnen ein strahlendes Lächeln. »Wir werden hier verschiedene Methoden kennenlernen, die Frauen dabei helfen können, mit gefährlichen Situationen umzugehen«, kündigte sie an; dann erst merkte sie, daß sie vergessen hatte, sich vorzustellen und die Teilnehmerinnen zu begrüßen. »Ach, übrigens, mein Name ist Sloan Reynolds...«, fing sie nochmals an. Und gerade hat mich zum ersten Mal in meinem Leben mein Vater angerufen , dachte sie.
    Sloan schüttelte den Kopf, um diesen lästigen Gedanken loszuwerden. Dieser Kurs war für die anwesenden Frauen eine wichtige Sache, und Sloan wollte ihren Job gut machen. Die Frauen brauchten ihren Rat; sie vertrauten ihr und zählten auf sie. Carter Reynolds hingegen bedeutete ihr nichts.
    Sloan beschloß, nicht mehr an ihn zu denken, und begann mit ihrer ersten Lektion. »Wir werden zunächst versuchen, uns eine der häufigsten Situationen vorzustellen: Eine Frau befindet sich plötzlich in Gefahr, und niemand ist in der Nähe, der ihr helfen könnte. Nehmen wir einmal an, Sie sind nachts auf einer einsamen Straße unterwegs und haben eine Panne. Es herrscht kaum Verkehr, und die nächsten Lichter - also die nächsten Lebenszeichen von anderen Menschen -sind meilenweit entfernt. Was tun Sie?«
    Mehrere Hände schossen in die Luft, und Sloan nickte auffordernd einer attraktiven Frau mittleren Alters zu, von der sie wußte, daß

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