Farben der Sehnsucht
suchen.«
»Ich verstehe.«
Paul atmete erleichtert auf und knüpfte an das vorherige Gesprächsthema wieder an. »Ich halte es für eine sehr gute Idee, dich als Innenarchitektin auszugeben. Reynolds wird sich dadurch nicht bedroht fühlen. Es ist genau das Richtige.«
Sloan nickte, doch je mehr sie sich ihrem Ziel näherten, desto schwieriger kam es ihr vor, sich als etwas zu verkaufen, das sie gar nicht war. Es war ein ihr völlig unbekanntes Terrain, in das sie sich begeben mußte, und sie würde es mit fremden Menschen zu tun haben, denen sie nicht vertraute. Durch das Verschweigen ihres wahren Berufs verlor sie nicht nur ein sicheres Gesprächsthema, sondern auch einen großen Teil ihrer Identität.
»Sloan?« fragte Paul, während er in eine breite Allee in Strandnähe einbog, die mit imposanten Luxusvillen gesäumt war. »Machst du dir Sorgen, daß es dir schwerfallen wird, dich als Innendekorateurin anzupreisen?«
»Innenarchitektin«, korrigierte sie ihn seufzend. »Nein, es geht schon in Ordnung. Wenn ich Unsinn erzähle, werden sie einfach denken, daß ich einen anderen Geschmack habe -oder daß ich etwas dämlich bin.«
»Das wäre eigentlich gar nicht so schlecht für uns«, bemerkte Paul, den diese Möglichkeit zu erheitern schien. »Schließlich und endlich wird Reynolds um so unvorsichtiger werden, je mehr er dich unterschätzt. Du solltest keine Gelegenheit ungenutzt lassen, in der du beweisen kannst, wie naiv und gutgläubig du bist. Er wird das mögen.«
»Wieso gehst du davon aus, daß er glaubt, ich sei wirklich so?«
»Weil wir wissen, daß er deine Mutter mehr oder weniger so im Gedächtnis hat«, sagte Paul, der seine Worte vorsichtig gewählt hatte. Schließlich konnte er ihr nicht sagen, daß Reynolds von Kimberly als einer »törichten Närrin« und dem »klassischen dummen Blondchen« gesprochen hatte.
»Ich weiß jetzt schon, daß ich diesen Mann hassen werde«, seufzte Sloan. »Aber was hat seine Meinung über meine Mutter mit mir zu tun?«
Paul lächelte. »Du siehst ihr sehr ähnlich.«
»Das glaube ich nicht.«
»Es ist aber so«, sagte er überzeugt. »Reynolds wird das auch sehen und ganz selbstverständlich annehmen, daß du genauso...«, er unterbrach sich, um das harmloseste Wort zu finden, das Reynolds zur Beschreibung von Sloans Mutter verwendet hatte, »... genauso gutmütig wie sie bist.«
Sloan begann zu ahnen, daß Paul wirklich von ihr erwartete, in eine Rolle zu schlüpfen, die ihr ganz und gar nicht gefiel.
»Verstehe ich recht? Du möchtest, daß ich seine abfällige Meinung über den Intellekt meiner Mutter und damit den meinen auch noch bestärke?«
»Wenn du das kannst.«
»Und da du wußtest, daß ich allein schon den Gedanken hassen würde, hast du mit diesem Vorschlag gewartet, bis wir praktisch in seiner Hofeinfahrt angelangt sind.«
»Genau«, sagte er ungerührt.
Sloan lehnte ihren Kopf gegen die Nackenstütze, schloß die Augen und seufzte - nicht ohne einen Anflug von Selbstmitleid - tief auf. »Das ist ja eine schöne Bescherung. Ich bin wirklich entzückt.«
»Sieh mal, Sloan: Du bist hierhergekommen, um deinen Job zu machen, nicht um Reynolds’ Respekt und Bewunderung zu erlangen, stimmt’s?«
Sloan schluckte. »Stimmt«, gab sie zu, doch innerlich stöhnte sie auf bei dem Gedanken, welches Theater ihr die kommenden zwei Wochen bevorstand.
Paul setzte den Blinker und fuhr von der Straße ab und auf ein imposantes eisernes Gittertor zu, hinter dem sich eine breite, gepflasterte Hofeinfahrt erstreckte. In der Ferne war eine palastartige, in mediterranem Stil gehaltene Villa zu erkennen.
»Noch ein Letztes, bevor wir uns in die Höhle des Löwen wagen: Ich weiß, daß das hart für dich ist, aber du mußt deine Voreingenommenheit vor Reynolds verbergen. Er ist kein Narr, und du mußt ihm auf überzeugende Art und Weise vermitteln, daß du wirklich eine Versöhnung im Sinn hast. Wirst du es schaffen, deine wahren Gefühle vor ihm zu verbergen?«
Sloan nickte. »Ich habe schon geübt.«
»Wie kann man so was üben?« fragte er neugierig und trat auf die Bremse.
»Ich stelle mich vor den Spiegel und denke an etwas Schreckliches, das er getan hat; dann lächle ich so lange mei-nem Spiegelbild entgegen, bis ich mir einbilde, daß es mir nichts mehr ausmacht.«
Paul lachte und drückte kurz und ermutigend ihre Hand. Da sie bereits vor dem Hoftor standen, kurbelte er sein Seitenfenster herunter und drückte einen Knopf auf einem
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