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Farben der Sehnsucht

Titel: Farben der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaugth
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durchaus auch heraussteilen, daß wir uns getäuscht haben.«
    »Für wie wahrscheinlich hältst du das?«
    Paul zögerte. Er wollte sie nicht beleidigen oder ihr Vertrauen mißbrauchen, indem er ihr etwas vorschwindelte. »Für nicht sehr wahrscheinlich«, erwiderte er. »Aber es ist immerhin möglich. Betrachten wir die Situation doch einmal von dieser Seite: Reynolds hat als Vater zweifellos versagt, doch offensichtlich hat er dies bereut, sonst hätte er dich wohl nicht angerufen. Wir wissen nicht, was damals alles zum Scheitern der Ehe deiner Eltern beigetragen hat - aber nach allem, was du mir erzählt hast, war seine Mutter die treibende Kraft, die sowohl die Scheidung als auch die Trennung von euch Kindern veranlaßt hat. Sie war es damals, die nach dem Schlaganfall ihres Mannes nach Florida kam und Carter nach San Francisco zurückholte, nicht wahr?«
    »Ja, aber er hat in ihren Plan eingewilligt.«
    »Das stimmt, aber er war damals auch noch sehr jung, nicht älter als Mitte Zwanzig. Es mag vielleicht nur Schwäche oder Unreife oder Feigheit gewesen sein, die ihn dazu bewogen haben, ihr zu gehorchen; vielleicht hat sie ihn auch davon überzeugt, daß es seine verdammte Familienpflicht sei, nach San Francisco zurückzukehren. Wer weiß? Ein schwacher Charakter ist nicht gerade respekteinflößend, aber vielleicht hat er sich ja tatsächlich geändert. Alles, was wir wissen, ist, daß seine Mutter vor drei Monaten gestorben ist und dein Vater kurz darauf den Versuch unternommen hat, sich mit dir zu versöhnen.«
    Sloan war sich bewußt, daß Paul ihr wirklich helfen wollte, aber seine Ausführungen verunsicherten und verwirrten sie auch, und sie hatte sowieso schon genug damit zu tun, ihre widerstreitenden Gefühle im Zaum zu halten. Eigentlich hatte sie ihn bitten wollen, damit aufzuhören, aber aus Höflichkeit oder vielleicht auch aus Neugierde ermutigte sie ihn statt dessen durch weitere Fragen zum Weitersprechen. »Und was ist mit meiner Schwester? Welche Entschuldigung könnte sie dafür haben, daß sie nie versucht hat, Kontakt mit meiner Mutter aufzunehmen?«
    Paul sah sie von der Seite an. »Du solltest die Sache mal aus ihrer Perspektive sehen: Vielleicht fragt sie sich, wieso ihre Mutter nie Kontakt mit ihr aufgenommen hat.«
    »Die Einwilligung, die meine Mutter unterschreiben mußte, hätte ihr das nicht gestattet.«
    »Wer sagt dir, daß Paris von dieser Einwilligung weiß?«
    Sloan starrte ihn fassungslos an und spürte unweigerlich, wie in ihr ein kleiner Hoffnungsfunke aufflammte, daß es für ihre Familie vielleicht doch noch eine Möglichkeit zur Wiedervereinigung geben würde. »Du sagtest, daß ihr einen Informanten im Haus der Reynolds’ in San Francisco hattet. Hast du durch ihn irgendwelche konkreten Hinweise erhalten, daß etwas von all dem wahr sein könnte?«
    »Nein. Paris hat uns nie sehr interessiert. Ich weiß über sie nur, daß manche Menschen sie für kühl und reserviert halten, andere wieder für still und scheu. Alle sind sich einig, daß sie sehr schön, elegant und gebildet ist. Sie spielt hervorragend Tennis und Golf und ist Meisterin im Bridge. Bei Turnieren spielt sie normalerweise mit Ihrem Vater zusammen, der noch besser ist als sie.«
    Sloan brachte ihr Unverständnis und ihre Verachtung für solche oberflächlichen und nutzlosen Spielereien zum Ausdruck, indem sie die Augen verdrehte und die Schultern hochzog - eine Geste, die so spröde und doch auch so hübsch aussah, daß Paul sich ein Lachen verbeißen mußte. »Dann ist da noch Edith«, sagte er und verzog das Gesicht bei dem Gedanken an die Familienälteste. »Sie wird auch in Palm Beach sein.«
    »Edith?« fragte Sloan.
    »Deine Urgroßmutter«, erklärte Paul. »Sie ist ein neunzigjähriger Drachen, der sich mit jedem anlegt, der es wagt, ihr in den Weg zu treten. Außerdem ist sie krankhaft geizig. Sie besitzt etwa fünfzig Millionen Dollar, aber sie kann sich fürchterlich aufregen, wenn in einem Zimmer mehr als eine Lampe brennt.«
    »Sie klingt ja sehr liebenswert«, sagte Sloan trocken, dachte aber gleichzeitig leicht betreten an ihre eigene Sparsamkeit. Erst letzte Woche hatte Sara sie eine Knauserin genannt, und ihre Mutter beschwerte sich immer wieder darüber, daß Sloan es haßte, Geld auszugeben. Andererseits waren Sara und Kimberly beide regelrecht verschwendungssüchtig, wie Sloan zu ihrer eigenen Verteidigung zugeben mußte. Sie selbst hingegen hatte nie auf großem Fuß gelebt, zum einen

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