Farben der Sehnsucht
Messingkasten, der auf einem Sockel befestigt war. Während er wartete, wandte er sich nochmals an Sloan. »Und nun ein Lächeln für die Kamera«, wies er sie mit einem vielsagenden Blick auf das kleine gläserne Loch in dem Messingkasten an.
»Ja bitte?« ließ sich schließlich eine männliche Stimme vernehmen.
»Sloan Reynolds und Paul Richardson«, sagte Paul freundlich.
Einen Augenblick später öffneten sich für sie die beiden Flügel des schweren Eisentors.
14
Sloan hatte sich diesen Moment immer so vorgestellt, daß ihr Vater die Tür selbst öffnen und sie persönlich begrüßen würde, weshalb sie nun eine freundliche, aber unverbindliche Miene aufsetzte. Ihre Bemühungen erwiesen sich jedoch als unnötig, da die Tür nicht von ihrem Vater, sondern von einem großen, blonden Butler geöffnet wurde, der mindestens genauso freundlich und sogar noch unverbindlicher dreinsah als Sloan. »Guten Tag, Miss Reynolds. Guten Tag, Mr. Richardson«, sagte er mit einer tiefen Stimme, die noch die Spuren seines nordischen Akzents trug. »Die Familie erwartet Sie bereits. Folgen Sie mir bitte.«
Er führte sie durch einen breiten, steingefliesten Gang, von dem aus mehrere Türen in geräumige, mit antiken Möbeln eingerichtete Zimmer führten. Plötzlich trat aus einem der Zimmer ein Mann und kam mit ausgestreckten Armen auf sie zu. Sloan erkannte den Fremden sofort als ihren Vater. Aufgrund seiner Herzattacke und seines scheinbar so sehnlichen Wunsches nach einer Versöhnung mit ihr hatte sie jedoch erwartet, daß er etwas kränklich und mitgenommen aussehen würde. Der gutaussehende, sonnengebräunte Mann, der ihr nun mit einem strahlenden Lächeln entgegenkam, machte jedoch einen sehr kräftigen und agilen Eindruck. »Sloan!« rief er erfreut, als er vor ihr stehenblieb und ihr die Hand reichte.
Sloan überließ ihm mit einer automatischen Geste ihre Hand, die er in seine beiden Hände nahm und einen Moment festhielt. »Mein Gott, du siehst deiner Mutter so ähnlich, daß es schon fast unheimlich ist«, sagte er mit einem warmen Lächeln. »Danke, daß du gekommen bist«, fügte er mit entwaffnender Spontaneität hinzu.
Sloan bebte innerlich vor Anspannung und Nervosität, aber es gelang ihr, ihre Stimme gelassen und ruhig klingen zu lassen. »Dies hier ist mein Freund, Paul Richardson.«
Die beiden Männer schüttelten einander die Hand; dann kehrte Carters Blick wieder zu seiner Tochter zurück. »Ich hatte eigentlich angenommen, daß deine Begleitung weiblich sein würde«, sagte er etwas verunsichert. »Nordstrom hat zwei Gästezimmer vorbereitet, aber...«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Sloan schnell.
Sein Lächeln wurde noch wärmer, als sei er sehr angenehm überrascht, daß seine Tochter nicht so unverfroren war, auf einem gemeinsamen Schlafzimmer mit ihrem »Freund« zu bestehen. Sloan wußte nicht so recht, was sie davon halten sollte, doch schließlich rief sie sich ihren festen Vorsatz ins Gedächtnis, keinerlei Wert auf das Urteil ihres Vaters zu legen.
»Nordstrom wird sich um euer Gepäck kümmern«, sagte Reynolds schließlich. »Nun kommt erst mal mit! Deine Schwester und deine Urgroßmutter sind im Sonnenzimmer.«
Sie wollten sich gerade auf den Weg machen, als ein schlanker Mann von etwa fünfunddreißig Jahren mit dünnem Haar und Silberrandbrille aus einem Zimmer in der Nähe der Treppe trat. Er schien ganz in die Lektüre eines Aktenstücks versunken, das er in der Hand trug. Carter sprach ihn an und stellte ihn Sloan und Paul als Gary Dishler vor. »Gary ist mein Assistent«, erklärte Carter. »Wann immer ihr etwas braucht und ich gerade nicht zur Verfügung stehe, könnt ihr getrost Gary fragen.«
Mit einem freundlichen Lächeln und einer lockeren Geste, die zu seiner lässigen Kleidung paßte - der Kragen seines Hemdes stand offen, und er trug keine Krawatte -, schüttelte er den beiden Neuankömmlingen die Hand. »Zögern Sie bitte nicht, sich an mich zu wenden, wenn Sie etwas brauchen«, sagte er. »Ich bin hier so eine Art Mädchen für alles.«
Das »Sonnenzimmer« war ein geradezu riesiger, achteckiger Raum im hinteren Flügel des Hauses, dessen Wände ganz aus Glas waren. Er war mit allerlei tropischen Pflanzen bewachsen und wurde sogar von einem Miniaturflüßchen durchquert, über das eine schmale asiatische Brücke führte. Mehrere einladende Sitzecken mit Korbsesseln und Sofas waren neben exotisch anmutenden Gefäßen gruppiert, denen die herrlichsten Düfte
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