Farmer, Philip José - Flusswelt 02
Steinquadern segelten durch die Luft wie Papierschwalben, dann rollten die aufbrüllenden Wassermassen zu Tal. Der See wirkte nun gar nicht mehr so friedlich. Mit roher Kraft riß er seine Ufer ein und wälzte sich auf die Mauer zu. Sein Brausen war so gewaltig, daß jede Verständigung unmöglich wurde.
Hunderttausende von Tonnen Wasser jagten durch den engen Canyon, spülten Erdwälle vor sich her und rissen Bäume um. Die Wassermassen unterspülten die Ufer, daß die Erde sich zu bewegen begann und Sams Leute gezwungen waren, noch höher zu klettern, wenn sie nicht mit in die Tiefe gerissen werden wollten. Ein am Rande des Sees stehender Eisenbaum begann sich plötzlich zu neigen, fiel um, knallte mit der Spitze auf das gegenüberliegende Ufer und rutschte dann, gewaltige Erdmassen und andere Bäume mit sich reißend, in den sich leerenden Stausee hinein. Die Wassermassen ergriffen ihn wie einen Zahnstocher, wirbelten ihn umher und drückten ihn schließlich durch die Mauerbresche in den Canyon hinein, wo er eine halbe Meile weit fortgespült wurde und sich schließlich zwischen den engen Wänden verkeilte. Wie eine hundert Meter hohe Wand jagte das Wasser zu Tal und überspülte die Ebene. Es trieb dabei ausgerissene Bäume, Erdreich, Hütten, Menschen, Abfallberge und ganze Bambuswälder vor sich her, jagte über das Hauptland von Parolando dahin und spülte alles und jeden in den Fluß hinein.
Die Fabrikhallen zerbarsten, als wären sie aus Stroh. Das gewaltige Schiff, das noch immer auf seiner Werft stand, wurde wie ein Spielzeugboot von den Wellen ergriffen, hochgehoben und beiseite geschubst. Die Baugerüste knickten ein. Die Schiffshülle tauchte in den Fluten unter und verschwand, und Sam warf sich zu Boden und bearbeitete das Gras mit beiden Fäusten. Sein Boot war verschwunden! Alles war vernichtet, die Fabriken, Gruben, Flugzeuge, Amphibienfahrzeuge, Schmieden, Waffenkammern und seine Mannschaft! Aber das Schlimmste von allem war, daß er nun auch noch sein Schiff verloren hatte. Sein Traum war zerbrochen, der große, glitzernde Edelstein, den er in seinen Träumen gesehen hatte, in Milliarden Stücke zerschmettert.
Er lag mit dem Gesicht im kalten, feuchten Gras. Seine Finger schienen mit dem Boden verwachsen zu sein, als wolle die Erde dieses Planeten sie nie wieder freigeben. Aber dann packte Joe ihn von hinten und setzte ihn hin. Er kam sich wie eine Marionette vor. Joe umarmte und drückte ihn. Er sah sein groteskes Gesicht, die wildwuchernden Augenbrauen und die absurde lange Nase direkt über sich.
»Fie find alle weg«, sagte Joe. »Jefuf! Welch ein Anblick. Ef ift nichtf von ihnen übrig, Fäm.«
Die Ebene lag immer noch unter Wasser, aber fünfzehn Minuten später hatte sich die Lage entscheidend geändert. Der Fluß hatte wieder seine normalen Dimensionen angenommen. Die Ufer von Parolando sahen wieder aus wie zuvor.
Die großen Gebäude waren ebenso verschwunden wie das halbfertige Schiff und das Werftgelände. Die zyklopenhaften Wälle, die das Industriegebiet Parolandos vom übrigen Teil des Uferlandes abgrenzten, existierten nicht mehr. Da und dort, wo man Grabungen vorgenommen hatte, befanden sich jetzt kleine Seen. Dort, wo man den Grasteppich nach langer Bearbeitung endlich hatte aufreißen können, hatte die Flut die Gruben vertieft. Anderswo war es nicht einmal ihr möglich gewesen, das langwurzelige Gras aus der Erde zu reißen.
Die Stein- und Erdwälle, die das Ufer Parolandos umsäumt hatten, waren verschwunden; weggespült wie Sand.
Der Himmel wurde blasser, dann grau. Die gewaltige Flotte der Eroberer existierte nicht mehr, sie war flußabwärts getrieben und zerschmettert worden. Die Kräfte der Natur hatten sie zu Fetzen zerrieben. Nur hie und da trieb noch ein Schiff Kieloben, umgeben von Balken und anderem Treibgut, in den Fluten. Nichts deutete darauf hin, daß man noch vor wenigen Minuten hier eine erbitterte Schlacht geschlagen hatte.
Das Wasser hatte nur dem unmittelbaren Zentrum von Parolando geschadet, und das waren weniger als zehn Prozent seiner Fläche. Die Gebäude, die am Rand dieser Zone lagen, schienen nur teilweise beschädigt zu sein.
Mit dem Morgengrauen strömten über tausend Leute über die nördliche Grenze aus Chernskys Land nach Parolando. Viele kamen auch in Booten. Angeführt wurden sie von König John.
Sam ließ seine Leute Kampfformationen einnehmen und stellte Joe Miller in den Mittelpunkt, aber John näherte sich ihnen furchtlos und
Weitere Kostenlose Bücher