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Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03

Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03

Titel: Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Das dunkle Muster
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war, sich diese fantastische Vorstellung als real auszumalen, wo es doch nicht unmöglich war, ihr eines Tages zu begegnen. Nach einigem Hin und Her würden sie feststellen, daß sie Großmutter und Enkel waren. Dann würde die lange Erzählung dessen, was aus ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, ihren Enkeln und Urenkeln, ihren Ur-Urenkeln und Ur-Ur-Urenkeln geworden war, folgen. Würde es sie entsetzen, wenn sie erfuhr, daß eine ihrer Urenkelinnen einen Juden geheiratet hatte? Ohne Zweifel. Nahezu jeder, der um 1880 herum gelebt hatte, litt unter derartigen Vorurteilen. Wie würde sie darauf reagieren, wenn er ihr erzählte, daß seine Schwester einen Japaner geheiratet und daß einer seiner Brüder eine Katholikin geheiratet hatten? Daß eine ihrer Ur-Urenkelinnen zum Katholizismus und einer ihrer Ur-Urenkel zum Buddhismus konvertiert war?
    Andererseits konnte die Flußwelt natürlich auch ihre Ansichten geändert haben, das war bei vielen anderen Menschen auch der Fall gewesen. Frigate hatte auf der Erde schon Menschen gekannt, deren Ansichten nicht den Zeiten entsprachen, in denen sie lebten.
    Aber weiter mit dem Traum.
    Nach ein paar Drinks und einem langen Gespräch – würde daraufhin das Bett folgen?
    Wenn man rational dachte, konnte auf dieser Welt eigentlich niemand etwas gegen Inzest haben. Und Kinder gab es hier keine.
    Aber wann hätten Menschen über derartige Situationen jemals rational nachdenken können?
    Nein. Bevor sie nicht miteinander im Bett gewesen waren, konnte er sich nicht zu erkennen geben.
    Sein Gedankengebäude bekam die ersten Sprünge. Es mußte sie in schrecklichster Weise erniedrigen. Es wäre grausam. Und gleichgültig, wie sehr er nach Rache dürsten mochte – das konnte er ihr nicht antun. Er würde es niemandem antun können. Und außerdem war er sich nicht einmal sicher, ob er nicht Rache für etwas nahm, das nie geschehen war. Und selbst wenn seine vagen Erinnerungen ihn nicht trogen –, es war nicht von der Hand zu weisen, daß sie ihm lediglich etwas angetan hatte, das nur ein sehr kleines Kind als Gemeinheit empfinden konnte. Seine Erinnerung spielte ihm vielleicht nur Streiche.
    Dennoch war es ein ungeheurer Gedanke, die eigene Großmutter aufs Kreuz zu legen. Natürlich würde es in der Realität niemals dazu kommen, denn ihn zogen nur intelligente Frauen an, und seine Großmutter war eine ignorante Bäuerin gewesen. Und vulgär, wenn auch nicht in einem religiösen oder obszönen Sinn. Er erinnerte sich noch gut an das Festessen, das an irgendeinem Erntedankfest stattgefunden hatte: Seine Großmutter hatte sich geschneuzt, aber der Rotz war auf ihrer Bluse gelandet, und sie hatte ihn mit den Fingern abgewischt und an ihren Rock geschmiert. Sein Vater hatte gelacht, während seine Mutter beinahe vom Stuhl gefallen und ihm der Appetit vergangen war.
    Seine Vorstellung verblaßte, wandelte sich zu Abscheu.
    Und doch bestand die Möglichkeit, daß sie sich geändert hatte.
    Zum Teufel damit! dachte Frigate, rollte sich auf die Seite und schlief wieder ein.

29
    Trommelwirbel. Das Schmettern hölzerner Trompeten. Peter Frigate fand sich mitten in einem anderen Traum wieder. Die Zeit: drei Monate nach Pearl Harbor. Er war Luftwaffenkadett in Randolph Field und wurde gerade von seinem Fluglehrer zusammengestaucht.
    Der Leutnant, ein hochgewachsener junger Mann mit dünnem Schnurrbart und großen Füßen, war beinahe ebenso hysterisch wie Großmama Kaiser.
    »Wenn Sie das nächste Mal links schwenken, wenn ich rechts sage, Frigate, brechen wir den gottverdammten Flug ab – und das wird dann für Sie der letzte sein! Möglicherweise finden Sie irgendwo anders einen Fluglehrer, der drauf scheißt, ob sein Schüler ihn um Kopf und Kragen bringt – aber das werde ich jedenfalls nicht sein! Herrgott, Frigate, wir hätten beinahe umkommen können! Haben Sie denn die Maschine zu Ihrer Linken nicht gesehen? Sie sind der reinste Selbstmörder! Solange Sie das allein tun, kann mir das ja egal sein, aber geben Sie sich wenigstens dann Mühe, wenn ich und zwei weitere Leute in Ihrer Kiste sitzen! Und dann machen Sie es in Ihrer Freizeit, auf einem anderen Flugplatz und nicht mit Regierungseigentum! Was, zum Teufel, ist mit Ihnen los, Frigate? Hassen Sie mich?«
    »Ich konnte Sie leider nicht hören, Sir«, sagte Peter. Obwohl er in der warmen Fliegerkombination und in dem engen Raum stark schwitzte, zitterte er und hatte das schmerzhafte Verlangen, seine Blase entleeren zu müssen.

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