Farmer, Philip Jose - Flusswelt 03
einige Tücher – in den Fluß warf, brach Sam in Tränen aus. Er hatte den lebenslustigen und überschwänglichen Burschen sehr gern gehabt.
»Ich weiß, warum Greystock das getan hat«, sagte Sam. »John Lackland hat ihm ein Angebot gemacht, das er nicht ausschlagen konnte. Und dieses doppelzüngige Schwein hätte es beinahe sogar geschafft, den Auftrag auszuführen. Ich habe Greystock zwar – wie jeden Menschen seiner Klasse – für einen grausamen Burschen gehalten, aber ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, er könne illoyal sein. Wenn du etwas von Geschichte verstehst – du, Marc; nicht du, Joe –, dann weißt du auch, daß diese mittelalterliche Adelsclique für ihre Verschwörungen berüchtigt war. Ihr Gott war stets der Opportunismus, gleichgültig, wie viele Kirchen sie zum Ruhme Gottes auch errichtet haben mögen. Jeder einzelne von ihnen hatte die Moral einer Hyäne.«
»Nicht alle«, widersprach de Marbot. »William Marshal von England hat niemals die Fronten gewechselt.«
»Hat er nicht unter König John gedient?« fragte Sam. »Er muß ein ziemlich dickes Fell gehabt haben, wenn er es mit ihm aushalten konnte. Jedenfalls hat John es nun zum erstenmal versucht, und beinahe wäre es ihm geglückt. Was mir allerdings ein ungutes Gefühl verschafft, ist die Frage, wie viele Saboteure er sonst noch im Ärmel hat. Ihr versteht jetzt sicher, weshalb ich darauf bestanden habe, an jedem wichtigen Punkt eine Doppelwache aufzustellen und vier Mann vor der Waffenkammer zu postieren.
Aus dem gleichen Grund habe ich auch den Befehl erteilt, daß jeder Mann und jede Frau an Bord auf der Stelle eine Meldung machen soll, wenn sie glauben, etwas Verdächtiges zu sehen. Es ist mir natürlich klar, daß solche Verhaltensmaßregeln die Leute nicht gerade ruhiger machen, aber ich versuche nur, realistisch zu sein.«
»Kein Wunder, daf du Alpträume haft, Fäm. Waf mich angeht, fo mache ich mir um folche Dinge keine Forgen.«
»Aus diesem Grund bin ich auch der Kapitän und du nur ein Leibwächter. Sag mal, machst du dir eigentlich gar keine Sorgen um mich?«
»Ich tue nichtf anderef alf meine Pflicht, und Forgen mache ich mir höchftenf um die langen Paufen f-f-wischen den Mahlfeiten.«
Wenige Minuten später gab der Funker bekannt, daß er eine Verbindung mit der Parseval habe. Als Sam das Gespräch mit Jill Gulbirra beendet hatte, kam er sich vor wie ein Spaziergänger in einem Minenfeld. Verrat, Lügen, Unsicherheiten, Konfusion und Fehlentscheidungen schienen explosionsbereit unter seinen Füßen zu ticken.
Qualmend wie ein Drache, obwohl die Zigarre äußerst bitter schmeckte, ging er auf und ab. Bis jetzt gab es an Bord lediglich zwei Personen, die das Geheimnis um den rätselhaften X mit ihm teilten: Joe Miller und John Johnston. Es gab aber seines Wissens acht Menschen – oder es hatte sie gegeben –, die über den Fremden Bescheid wußten: Miller, Johnston, er selbst, Firebrass (der nun tot war), de Bergerac, Odysseus (der vor langer Zeit verschwunden war), von Richthofen (ebenfalls tot) und Richard Francis Burton. Das Wesen, das Clemens als X oder den geheimnisvollen Fremden bezeichnete (wenn er nicht irgendein Hundesohn oder Schweinekerl war), hatte gesagt, er habe zwölf Personen ausgewählt, die den Turm erreichen sollten. X hatte weiterhin gesagt, er würde sich bald wieder zeigen und Sam weitere Anweisungen erteilen, aber bis jetzt war er noch nicht wieder aufgetaucht.
Ob die anderen Ethiker ihn inzwischen geschnappt und sonst wohin befördert hatten?
Sam hatte von Richthofen und Miller von dem Fremden erzählt. Damit gab es ungefähr sechs Leute, die von seiner Existenz wußten, ohne daß X darüber informiert war. Dennoch war es möglich, daß sich der Rest der Auserwählten an Bord der Mark Twain aufhielt. Warum hatte X seine Leute nicht mit einem Zeichen versehen oder ihnen ein Kodewort gegeben, durch das sie sich einander kenntlich machen konnten? Vielleicht hatte er das vorgehabt und war aus irgendwelchen Gründen nicht mehr dazu gekommen. Der Fahrplan, nach dem X vorging, war beinahe ebenso unzuverlässig wie die der amerikanischen Eisenbahn.
Cyrano hatte Sam von Burton erzählt. Sam hatte zwar keine Ahnung, wo Burton sich aufhielt, aber er wußte, wer er war. Die Zeitungen waren zu Sams Lebzeiten voll von seinen Taten gewesen. Außerdem hatte Sam einige Bücher Burtons gelesen: Persönlicher Bericht einer Pilgerreise nach Medina, Die ersten Schritte durch Ostafrika, Das
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