Farmer, Philip José - Flusswelt 05
die Räume nicht betreten, aber er konnte in sie hineinsehen, indem er den Computer um eine Sichtverbindung bat. Und er wünschte, er wäre nicht so neugierig gewesen.
Der einzige der männlichen Gefangenen - jeder in einem Raum -, den er kannte, war Dunaway, der Mann, der Sternenlöffel in Turpinville vergewaltigt hatte. Der Rest bestand aus drei Chinesen, zwei Weißen, einem Indianer, zwei Negern und einem Neanderthaler. Li Po erkannte einen der Chinesen.
»Das ist Wang Chih Mao, ein niedriger Beamter des Kaisers. Ich bin ihm einst begegnet. Sternenlöffel hat mir später von ihm erzählt. Er ist derjenige, der sie vergewaltigt hat, als sie zehn Jahre alt war.«
Vier der Gefangenen waren vollends dem Wahnsinn verfallen. Zwei schienen kurz davor zu stehen. Dunaway war einer der beiden, die sich in einen katatonischen Zustand zurückgezogen hatten. Der neunte hatte sich unter dem Bett versteckt und wollte nicht hervorkommen, als Burton ihn über den Bildschirm rief.
Burton musterte die Vergangenheitsfilme auf den Decken, Böden und Wänden aller Räume. Immer und immer wieder wurden die Vergewaltigungen auf großen Bildschirmen gezeigt - so, wie Sternenlöffel sie gesehen hatte, in grellen Farben und mit hoher Lautstärke. Die Männer konnten den Vorführungen nur entgehen, wenn sie schliefen, dem Wahnsinn verfielen oder Selbstmord begingen. Letzteres war fast unmöglich. Sie waren nackt, konnten sich also keine Stricke aus ihrer Kleidung drehen. Die Konverter versorgten sie nur mit Brot, knochenlosem Fleisch und Gemüse. Bis auf die Betten, die nur aus Rahmen und Matratzen bestanden, gab es keine Möbel. Die Bäder waren mit sitzlosen Toiletten, Kaltwasserhähnen und kleinen Waschbecken ausgestattet. Keine Seife, keine Handtücher, kein Toilettenpapier.
Alice schauderte. »Sie hat ihre Rache gehabt. Schrecklich!«
»Poetische Gerechtigkeit«, sagte Frigate. »Verschafft mit den Mitteln der Wissenschaft.«
»Wir können nichts für sie tun«, sagte Burton, »es sei denn, wir unterbrechen die Energieversorgung der Konverter und lassen sie verhungern.«
Auf die entsprechende Frage erwiderte der Computer, er sei ohne Sternenlöf-fels ausdrückliche Anweisung nicht dazu berechtigt.
Nachdem sie im Hauptraum und Sternenlöffels Schlafzimmer keine weiteren Hinweise gefunden hatten, machten sie sich auf die Suche nach Räumlichkeiten, die der Computer ihnen nicht via Bildschirm zeigen wollte. Obwohl sie zwölf solcher Stellen fanden, konnten sie die Räume, die hinter verschlossenen Türen oder kahlen Wänden lagen, nicht betreten. Als drei Wochen vergangen waren, gaben sie es auf. Es gab noch einen Ort, den sie untersuchen mußten, die riesige, unterirdisch gelegene Vorwiedererweckungskammer, in der Burton vor vielen Jahren erwacht war. Aber sie konnten nicht hinein.
»Auch Sternenlöffel konnte sie nicht betreten«, sagte Burton.
Nun, da das vordringliche Problem aus dem Weg geräumt war, mußten sie sich Gedanken über die Zukunft machen. Sie konnten den Turm nicht verlassen und auch keine Liebhaber oder Gefährten in ihn hineinholen. Sie waren drei Männer und eine Frau, die niemanden außer sich selbst haben konnten. Ihre Zahl würde nicht sinken, immerhin konnten sie wiedererweckt werden. Der Computer hatte zahlreiche Körperaufzeichnungen von ihnen angefertigt, bei denen sie persönlich als Modell fungiert hatten. Die kleinen gelben Kugeln waren wie Ostereier in vielen Sektionen des Turms versteckt. Obwohl es reichlich überflüssig schien, dermaßen viele Aufzeichnungen zu machen, wollte keiner durch eine zwar jetzt noch undenkbare, später aber Wirklichkeit gewordene Situation in eine Zwangslage kommen.
Die vor ihnen liegenden Jahre, dachte Burton, mußten nicht unbedingt leer sein. Die Zukunft war ein psychisches Sibirien, eine gefühlsmäßige Eiszeit. Es traf zu, daß sie lange Jahre eng miteinander vertraut gewesen waren, viele Gefahren gemeinsam bewältigt und als Team - es hatte kein Besseres gegeben -ausgezeichnet zusammengearbeitet hatten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Und nun würden sie für lange Zeit zusammen sein, ohne sich aneinander zu reiben, wie es oft bei Menschen der Fall war, die zu oft und zu eng beieinander hockten und sich irgendwann nicht mehr sehen konnten. Dennoch würden sie einander leid werden. Sie brauchten mehr als nur drei andere Menschen als Gefährten. Sie würden Liebhaber oder Geliebte brauchen, und gute Freunde, und dann und wann Fremde, mit denen man neue
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