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Farmer, Philip José - Flusswelt 05

Farmer, Philip José - Flusswelt 05

Titel: Farmer, Philip José - Flusswelt 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Götter der Flußwelt
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London. Hier sah sie die Ruinen der Stadt, niedergestreckt vom Großen Brand. Doch die schrecklichen Flammen hatten auch eine gute Seite gehabt. Sie hatten die hunderttausend Ratten und Millionen Läuse verzehrt, die die Große Pest verbreitet hatten. Aphra hatte jedoch wenig Zeit, um über das Feuer oder die Pest nachzudenken. Mr. Butler drängte auf Rückzahlung, und Lord Arlington und der König ignorierten auch weiterhin ihre berechtigten Forderungen nach einer Honorierung. Das Unausweichliche kam: sie wurde ins Schuldgefängnis geworfen.
    »Wo man verhungerte«, hatte Aphra gesagt, »wenn man kein Geld hatte, um sich Essen zu kaufen. Das heißt, wenn einen nicht zuerst die Krankheiten erwischten, die durch das Gefängnis pirschten wie wilde Rothäute auf dem Kriegspfad. Die Krankheiten waren jedoch demokratisch. Sie brachten jeden um, ob hoch oder niedrig geboren, arm oder mit Geld in der Börse, jung oder alt.«
    Alle Stadtgefängnisse waren vom Großen Feuer niedergebrannt oder schwer beschädigt worden. Newgate wurde eilends repariert, aber Aphra wurde nach Caronne House in South Lambeth geschickt. Der Schmutz und die Überbelegung waren vor dem Feuer schon schlimm genug gewesen. Nun waren sie zehnmal schlimmer - wegen des Mangels an Gefängnissen und der großen Zahl der Bürger, deren Häuser und Hab und Gut vernichtet worden war; unfähig, ihre Schulden zu bezahlen, gingen auch sie ins Gefängnis.
    »Ich überlebte, obwohl es Zeiten gab, da ich sterben wollte. Der Gestank der ungewaschenen Körper und Kleider, der Gestank der Kranken, die an der roten Ruhr litten, die ekelerregenden Ausdünstungen der offenen Abflüsse, das Wimmern der verängstigten und kranken Kinder, das Schreien der Verrückten und Tobenden, das Husten und Würgen, die Kämpfe, die Brutalität, der völlige Mangel an Abgeschiedenheit… wenn man einmal mußte, mußte man es in einer Zelle mit einem Dutzend anderer tun, die einen beobachteten oder verspotteten… wenn meine Mutter sich nicht Geld geborgt hätte, um mir Essen zu schicken… das meiste beschlagnahmten die Wachen sowieso für sich selbst… ich wäre dahingesiecht, bis ich zu schwach gewesen wäre, um den Krankheiten zu widerstehen, die in der üblen Luft dieses Höllenlochs dahintrieben. Welche Sünden ich auch begangen habe, bevor ich im Gefängnis war - oder danach -, ich habe für sie bezahlt. Es war ein Fegefeuer ohne Flammen; die Flammen hätten wir willkommen geheißen, weil sie uns gewärmt hätten.«
    Zwei Wachen hatten ihr ein tägliches Mahl mit Fleisch, Gemüsen und Wein angeboten - vorausgesetzt, sie trieb es mit beiden gleichzeitig.
    »Wenn meine Mutter mir nichts geschickt hätte, um mich vor dem völligen Hungertod zu bewahren, wäre ich ihren Wünschen wohl früher oder später nachgekommen, wahrscheinlich früher. Mein leerer Bauch blähte sich, und ich sagte mir, obwohl ich es nicht wirklich glaubte, daß die Wachen dem Hungertod vorzuziehen seien. Aber einer von den beiden war nicht nur ungewöhnlich schmutzig, einäugig, bucklig und zahnlos, sondern hatte auch noch die Französische Krankheit. Ich wußte nicht…«
    »Syphilis oder Gonorrhoe?«
    »Beides, glaube ich. Was spielte das für eine Rolle? Auf jeden Fall entkam ich ihnen, dank meiner Mutter, nicht dank Gottes. Und schließlich zahlte Kil-ligrew genug, daß ich meine Schulden begleichen und noch eine Weile davon leben konnte. Eine sehr kurze Weile.«
    Sie hatte innegehalten, und sagte dann lächelnd (und sie sah wunderschön aus, wenn sie lächelte): »Ich habe gelogen, als ich sagte, ich wollte sterben, als ich im Gefängnis war. Oh, vielleicht habe ich die Vorteile des Selbstmords kurz in Betracht gezogen. Nein, ich habe immer leidenschaftlich daran geglaubt, daß das Leben lebenswert ist, und ich war keine von denen, die bei der geringsten Entmutigung schon mit der weißen Fahne winken. Noch habe ich eine Niederlage eingestanden. Nicht beim letzten Atemzug, und auch später nicht. Der Tod hat mich nicht mehr besiegt als das Leben. Er brachte mich nur zur Ruhe.
    Da war ich, gerade aus dem Gefängnis entlassen, dünn und kränklich, alle Schulden - bis auf die an meine Mutter - bezahlt, und ich hatte keinen Penny, den ich ihr zurückgeben konnte, es sei denn, ich verzichtete auf Nahrung, Unterkunft, Schminke, Kleidung und Bücher.«
    Sie war fast dreißig gewesen - in einer Zeit, in der Frauen von dreißig normalerweise viel älter aussahen als eine Dreißigjährige des späten zwanzigsten

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