Fast ein bisschen Frühling - Capus, A: Fast ein bisschen Frühling
Glück, Ihr Schwerstverbrecher, ein harmloses Wort für Leute von Eurem Schlag. Nur schade, dass Ihr uns noch nicht über den Weg gelaufen seid, Ihr Schlauberger, wir hätten uns gerne etwas über Politik unterhalten, ›tüchtige Männer‹! Aber werdet schon Eure Qualen haben! Ein Naturgesetz. Es bringt zum Nachdenken und damit zur richtigen Erkenntnis!
Wir haben es hinter uns. Wenn weniger Menschen auf der Welt wären, ließe es sich noch leben; aber überall, wo die erbärmliche Kreatur Mensch ihre Hand im Spiel hat, da ist alles verhunzt und verhauen. Nicht genug, dass sie sich selbst der ärgste Feind sind, nein, der schönste Flecken Natur ist ihnen nicht heilig für ihre Schandtaten. Und dabei fällen sie durch ihr Verhalten sich selbst den Richterspruch. Ihr Leben und Ende richtet sich ganz nach ihrem Verhalten. Je unnatürlicher ihr Leben, je unnatürlicher ihr Ende. Sie werden alle noch oft wiederkommen müssen, bis sie die richtige Erkenntnis besitzen.
Wie man sich bettet, so schläft man.
Anstatt ihren Verstand dazu zu benützen, sich zu erlösen, haben sie sich eine Welt des Scheins, des Wahnsinns aufgebaut, an dem sie eines Tages alle zugrunde gehen müssen. Ebenweil bisher zu wenig Menschen da waren, die bereit waren, für ihre Erkenntnis das Leben zu lassen, ebendeswegen sind sie alle heute so schlecht und von dem wahren Lebensziel weiter denn je entfernt. Aber sie müssen ihren Weg gehen; und wären sie vernünftig, sie würden dafür sorgen, dass er so kurz wie möglich ist. Aber Irrsinn regiert die Welt. Auf der einen Seite baut man Kunstpaläste, auf der andern Seite hungern und darben unzählige Tausende und verkommen im größten Elend. Hier rächt sich schon die Unnatürlichkeit der Masse, denn wäre sie auf dem rechten Weg geblieben, die Herren ›Volksführer‹, besser -verführer, hätten nie gewagt, so frevelhaft an der Natur zu sündigen. Man hätte sie kurzerhand umgebracht. Im Gegenteil, sie ist so wahnsinnig, Leute, die gegen solche Schandtaten sich widersetzen – und damit auch für Wohl auf Umwege eintreten –, zu verfolgen – und festzunehmen – alles wegen der ›lieben Gerechtigkeit‹ in Gestalt einer Belohnung.
Ihr dummen Polizeibeamten – wisst Ihr jetzt, welches Verbrechen Ihr an Euch begangen habt?? Dass Ihr praktisch nichts anderes tut, als ja Sorge zu tragen, dass Euer Ende wahnsinnig ausläuft? Ihr solltet Euch lieber aufhängen, als das Werkzeug von ›Kreaturen‹ zu sein, die Euch und Euresgleichen täglich belügen und betrügen. Aber auch Euch bleibt der jammervolle Weg nicht verschont, den Eure ›Meister‹ gehen müssen.«
Dann beginnt Waldemar Velte eine neue Seite.
»Bitte im Todesfall an meine Eltern in Wuppertal schicken.
Ihr Lieben! Meine Stunde hat nun bald geschlagen. Ich bin froh, ich habe die Menschen satt, und weil eben in der Hauptsache Menschen hier auf der Welt sind, hat sie auch keinen Reiz für mich mehr. Wie werdet Ihr über mich urteilen? Ich weiß es schon jetzt. Ihr habt mich ja nie verstanden. Zu Eurem Unglück, denn jetzt ist für Eure Begriffe etwas so Entsetzliches passiert, dass Ihr eigentlich nicht mehr weiterleben könnt. Es ist nicht meine Schuld. Ich kann nicht, mit Rücksicht auf Euch, etwas Falsches tun. Erzieht mir ja Hilde und Lothar in meinem Sinn auf, dass ihre Qualen kurz seien, sonst wird auch ihr Leben eine Dauer von Qual, Erniedrigung und Gemeinheit sein. Sie müssen ja doch einmal, wie Ihr, meinen Weg gehen. Also denkt daran. Wir sehen uns hier nicht mehr wieder. Ich werde immer um Euch rum sein! Auf ein besseres Leben im Jenseits. Lebt wohl!! Die ›Werkzeuge‹ sind schon ganz in der Nähe und suchen uns. Sie möchten die Belohnung verdienen, die Gerechten – es wird nicht so einfach sein. Lebt wohl. Grüßt alle Verwandten. Sie möchten nicht so leichtsinnig urteilen.«
Kurt Sandweg erwacht, während Waldemar Velte am Schreiben ist. Er lässt sich das Wachstuchheft und den Bleistift reichen.
»Liebe Mamma, Bald sind wir in einer besseren Stätte. Mach Dir nichts draus, wir gehen gerne, das weißt Du ja. Wir sehen uns dort wieder! Lass die Menschen reden; sie hätten besser helfen sollen, denn wir taten es nicht gerne. Vielen Dank für alles Gute, leider kann ich es Dir nicht gutmachen. Dein Kurt«
Dann schreibt auch Waldemar Velte an Kurt Sandwegs Mutter.
»Liebe Frau Sandweg! Jetzt ist die letzte Stunde gekommen. Wir haben unseren Lebenszweck scheinbar erfüllt. So enden ideale
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