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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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hinuntersah. „Wir
haben nichts.“
    Ryan deutete auf das Kuvert. „Mein Vater starb, als
ich elf war. Er kam von der Straße ab, prallte gegen eine Mauer und war sofort
tot. Ich ging damals mit Freunden ins Kino und war ein normales Kind, und als
ich nach Hause kam, war ich plötzlich das älteste von sechs Geschwistern, die
zu Halbwaisen geworden waren. Ich musste mich um alles kümmern, ich konnte es
mir nicht leisten, so faul zu sein wie du.“
    Francis wollte etwas erwidern, doch es war zwecklos.
Ryans Blick schweifte in die Ferne, vermutlich dachte er an seine Kindheit, die
ihn hart und stark gemacht hatte.
    Nun würde alles noch schwieriger werden. Francis
musste an seine Mutter denken, die in der Geschlossenen lag und sich nicht
gegen diese Vorwürfe wehren konnte. Oder an den Ryan von früher, der mit ihm am
Labor-Day-Wochenende Ausflüge gemacht und ihm bei den Hausaufgaben geholfen
hatte. Und wie sie ein einziges Mal über seinen richtigen Vater gesprochen
hatten.
    „Denkst du hin und wieder an ihn?“, hatte Ryan möglichst
beiläufig gefragt. Damals war Francis dreizehn gewesen. Sie hatten Basketball
gespielt und saßen danach auf dem Hartplatz, um sich auszuruhen. Es war die
Zeit gewesen, in der sich Francis körperlich entwickelte und Ryan an Größe
überholte. Während Nicky wie eine Miniaturversion seines Vaters aussah, hatte
er selbst inzwischen immer mehr einem Mann geglichen, den er nicht kannte.
    „Nimmst du dir manchmal vor, ihn zu suchen?“, hatte
Ryan weitergefragt. Seine Stimme war freundlich gewesen, aber auch seltsam
brüchig.
    Seine Mom und Ryan hatten zu dieser Zeit zwar schon
beschlossen, sich scheiden zu lassen, aber Francis hatte sich sicher gefühlt
und genickt. „Ja, manchmal schon“, hatte er gesagt. Es war ein warmer Junitag
gewesen, das wusste er noch.
    Ryan hatte nur seine Schnürsenkel gebunden und genickt.
Dann hatte er ihm einen Klaps auf den Arm gegeben und war zum Wagen gegangen.
Francis hatte danach das Gefühl gehabt, einen Fehler gemacht zu haben, ohne zu
wissen, welchen. Für ihn selbst war es nie eine große Sache gewesen, dass er
nicht Ryans Sohn war. Deshalb war er immer davon ausgegangen, dass es umgekehrt
genauso sein musste. Schließlich hatte er Ryan geliebt. Inzwischen war er sich
jedoch sicher, dass sein leiblicher Vater ein Problem dargestellt haben musste.
Ryan hatte sich niemals etwas anmerken lassen, aber vielleicht war die Ehe
auch deshalb gescheitert, weil seine Frau noch ein Kind gehabt hatte, das
nicht von ihm war. Und jetzt war er für Ryan nur noch fünftausend Dollar wert,
und seine Fotos auf dem Schreibtisch waren durch Bilder von einem Hund ersetzt
worden.
    Francis presste die Zähne zusammen. In diesem Moment
wünschte er sich nichts mehr, als dass sein richtiger Vater anders wäre als
Ryan und dass alles gut werden würde, wenn er ihn traf. Dann steckte er das
Geld ein und wollte gehen.
    Als er schon an der Tür war, hörte er seinen Namen.
Er drehte sich um. „Was ist?“
    Ryan sah ihn lange an, sein Blick wirkte bedauernd.
Es war, als würde über ihm eine Sprechblase schweben, gefüllt mit
Abschiedsworten oder einem einfachen „Viel Glück!“. Und wieder läutete das
Telefon. Ryan zögerte erst unentschlossen, aber schließlich hob er den Hörer
ab. Francis verließ das Büro.
     
    Beim Betreten des Starbucks stellte er sich auf
folgende Szene ein: Anne-May hatte ihren Kopf auf den Tisch gelegt und war vor
Langeweile eingeschlafen, während Grover über Fantasy-Rollenspiele mit Elfen
und Rittern, Unreal Tournament oder ungelöste mathematische Probleme redete. Noch
wahrscheinlicher war für ihn jedoch, dass Grover allein dasaß und mit den
Schultern zuckte, weil Anne-May gleich abgehauen war und nichts mehr mit ihnen
zu tun haben wollte.
    Doch als er das Cafe betrat, saßen die beiden an
einem Ecktisch und schienen sich sehr zu amüsieren. Verwundert ging Francis zur
Kasse und bestellte einen White Mocca. Normalerweise war Starbucks viel zu
teuer für ihn, aber dank Ryans Geld konnte er endlich auch einmal hier sein.
Mit dem Kaffee ging er zu den anderen. „Was ist so witzig?“
    Anne-Mays Gesicht war vom Lachen ganz rot. „Ach,
Grover hat mir gerade gezeigt, welche Tiere er nachmachen kann.“
    Francis sah Grover irritiert an. Der ahmte mit
seinem großen Mund einen Löwen, einen Pavian, eine schnüffelnde Maus und einen
jungen Hund nach. Francis war überrascht, wie gut er das konnte. Es sah
lächerlich, aber erstaunlich echt und

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