Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
Vom Netzwerk:
lustig aus, wie er zugeben musste.
Gleichzeitig störte ihn, dass jemand anders Anne-May zum Lachen bringen konnte.
Bisher hatte er sie für sich allein gehabt, jetzt wurde ihm klar, dass er sie
auf der Fahrt mit anderen teilen musste.
    Sie brachen auf. Während sie aus der Stadt
hinausfuhren, trommelte Francis mit den Fingern auf dem Handschuhfach herum.
Es war eine Reise ins Ungewisse. Niemand konnte voraussagen, ob dieser Donor
James ein einsamer Universitätsprofessor war, ein versnobtes Mitglied im
Country Club oder ein liebevoller Familienmensch. Dennoch spürte Francis, dass
sein Vater ihn aus diesem Mist herausholen würde. Ganz sicher.
     
     
    Midwest
     
    1
     
    Sie hatten den Garden State hinter sich gelassen und
fuhren durch Pennsylvania: ein einziger großer Wald, der durch den Highway
geteilt wurde.
    Während der Fahrt drehte sich Francis nach Anne-May
um. Sie saß in ihren schwarzen Klamotten auf dem Rücksitz und hatte eine Ray
Ban aufgesetzt. Konzentriert schrieb sie in ein Notizbuch und kaute auf einer
Haarsträhne. Francis erwischte sich dabei, wie er sie sekundenlang anstarrte,
weil sie so schön war.
    „Was schaust du denn so?“, fragte sie und spuckte
ihre Haare aus.
    Francis wandte sich wieder um und dachte daran, wie
sie gemeint hatte, er solle sich keine Hoffnungen machen und sich nicht in sie
verlieben. Ihm fiel auf, dass auch Grover zu Anne-May linste. Durch kosmische
Zufälle hatten sie es geschafft, diese Frau in den Chevy zu kriegen, und er
begann zu begreifen, wie anders die Reise geworden wäre, wenn sie nur zu zweit
unterwegs gewesen wären.
    „Wieso warst du eigentlich in der Klinik,
Anne-May?“, fragte Grover nach einiger Zeit, ohne den Blick von der Straße zu
nehmen. Wieder diese Unart, ständig den Namen der Person zu wiederholen, mit
der er sprach.
    Anne-May schien auf diese Frage nur gewartet zu
haben.
    „Ich hab versucht, mir das Leben zu nehmen.“ Sie
hielt ihre Arme nach vorne, fast stolz.
    Grover blickte auf die vernarbten Handgelenke. „Aber
warum hast du das getan?“
    „Weil das Leben scheiße ist, deshalb.“
    „Wieso ist das Leben scheiße?“
    Francis schüttelte den Kopf. Man hätte diesen
denkwürdigen Moment einfrieren sollen. Grover Chedwick hatte tatsächlich
gefragt, wieso das Leben scheiße war. Der wandelnde Beweis für diese These
hatte quasi sich selbst in Frage gestellt. Er überlegte: Konnte es sein, dass
Grover das Leben genoss? Dass er, wenn ihn Brad Jennings den Gang
entlanggeschubst und jedes Mädchen weggeschaut hatte, das er ansah, oder wenn
er im Spiegel mal wieder diese leptosome Vogelscheuche entdeckt hatte, die
leider er selbst war, konnte es sein, dass er dieses Leben trotzdem irgendwie
mochte?
    „Das Leben ist scheiße, weil das Leben scheiße ist“,
sagte Anne-May. Punkt für sie.
     
    Es war neblig und kühl. Sie fuhren die 180 wb entlang,
bis sie tanken mussten und etwas bei Taco Bell aßen. Francis lud die anderen
ein, er wollte auf der Reise auch einmal großzügig sein. So oft hatte er sich
von Grover etwas leihen müssen, jetzt hatte er seit Jahren zum ersten Mal
wieder Geld, fünftausend Dollar. Und wenn alles nach seinem Plan lief, hatte er
bald noch mehr.
    Auf der Fahrt erzählte Anne-May, dass ihre Mutter
früher gemalt habe und Galeristin sei. Als sie erwähnte, dass ihr Dad bald
eine neue Schule in Staten Island entwerfen würde, drehte Francis sich nach ihr
um. Bei der Vorstellung, dass auch ihr Vater mit ihr geschlafen hatte,
verspürte er so viel Wut, dass er sich am Türgriff festkrallte.
    Um sich zu beruhigen, redete er nun selbst über
seine Eltern. Anne-May fragte ihn zum Spaß, wann er seinen Dad zuletzt gesehen
hätte.
    „Lange her“, sagte Francis. „Ich kann mich nicht mehr
genau daran erinnern. Es war wahrscheinlich eine höchst komfortable
Wichskabine, in die Donor James damals gebeten wurde. Alles ging so schnell.
Ich schwamm noch ein paar Bahnen in meinem Becher, dann wurde ich auch schon
eingefroren. Brrrh, war das kalt...“
    Die anderen wirkten belustigt. Francis dagegen wurde
für einen Moment schwindlig, als er zum ersten Mal begriff, dass das ja die
Wahrheit war. Er war nur ein Spritzer Sperma eines fremden Genies, das seitdem
keinen einzigen Gedanken an ihn verschwendet hatte. Und womöglich lebte sein
Vater mit zwei wohlgeratenen Kindern und seiner sympathischen Frau in einem
riesigen Haus, und das Letzte, was er wollte, war Besuch von seinem Sperma, das
an seiner Tür klingelte und „Hallo,

Weitere Kostenlose Bücher