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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Francis in das Zimmer seiner Mutter und
wühlte in ihren Sachen. Er suchte nach Unterlagen zu seiner Zeugung, aber er
fand nichts. Nicht unter der Matratze und auch nicht im Schrank oder der
Kommode. Dafür entdeckte er in einer Schublade Bilder von sich als Kind. Auf
allen wirkte er fröhlich, und auf manchen hatte er auch dieses selbstsichere
Grinsen, das ihm in den letzten Jahren völlig abhandengekommen war und das er
jetzt auf den Fotos wiedersah wie einen alten, fast vergessenen Freund. Seine
Finger stießen auf etwas Hartes aus Metall. Versteckt unter den Fotos lag die
Medaille für den zweiten Platz, die er bei einem überregionalen Ringerturnier
gewonnen hatte. Er hatte nicht mehr gewusst, dass er sie seiner Mutter geschenkt
hatte.
    Francis suchte weiter und fand im untersten Fach der
Kommode Packungen mit Zoloft, Kodein und anderen Pillen. Und einen Haufen
Mahnungen. Offenbar hatte seine Mom schon seit zwei Monaten weder die
Telefonrechnung noch die Miete für den Trailer bezahlt. Sie hatten nur noch
wenige Wochen Zeit, die Schulden zu begleichen, sonst würden sie sogar hier
ausziehen müssen. Francis starrte auf die Mahnungen, er setzte sich auf das
Bett seiner Mutter und fuhr sich über den Mund.
    Es musste einfach alles anders werden. Er riss sich
zusammen und suchte weiter nach Hinweisen, diesmal im Internet. Bei Donor
James gab es keinen Treffer, und auch zur Samenbank der Genies, in den
Berichten oft die „Genie-Farm“ genannt, gab es nur wenige Artikel. Offenbar war
die Samenbank bereits vor Jahren aufgelöst worden, als Monroe gestorben war.
Auch seine Kliniken waren geschlossen worden, bis auf jene in Los Angeles, in
der Francis gezeugt worden war.
    Die halbe Nacht arbeitete er sich noch durch
verschiedene Seiten, fand aber nur ein paar Berichte über Monroe und seinen
Partner, den österreichischen Eugeniker Dr. von Waidenfels, dazu einige
Dokumentationen. Doch wann immer Francis auf einen Link klickte, war der
betreffende Artikel inzwischen gelöscht worden oder einfach nur vage und
nichtssagend. Dabei brannte er darauf, endlich die Wahrheit über alles zu
erfahren. Er hatte immer gewusst, dass er nicht so dumm war, wie die Leute
dachten. In den letzten Jahren hatten sie ihn zwar alle abgeschrieben, aber er
hatte einen genialen Vater, also musste irgendetwas davon auch in ihm stecken.
Was genau, das würde er jetzt herausfinden.
     

4
     
    Gleich war es so weit. Als Francis bei Anne-May in
der Klinik gewesen war, hatten sie alles besprochen. Grover und er standen nun
neben dem Chevy auf dem Parkplatz und hielten nach ihr und ihrem Pfleger
Ausschau.
    „Also, ich habe meinen Eltern gesagt, dass ich zu
meinem Cousin Donnie nach Maine fahre und dass du mich begleitest“, sagte
Grover. „Es fällt mir schwer, sie so anzulügen. Ich meine, was, wenn was
Schlimmes passiert, Francis?“
    Um ihn aufzumuntern, erzählte er Grover von den schönen
Frauen, die sie im Westen bestimmt kennenlernen würden. Und auch alles über
Anne-May. Beim Wort „Sex“ begannen sich Grovers Pupillen zu weiten, und Francis
konnte sehen, wie sein Freund eifersüchtig wurde. Er selbst gähnte. Beim
morgendlichen Duschen hatte er die ganze Zeit die Augen geschlossen gehabt, er
hatte höchstens drei Stunden geschlafen. „Da kommen sie!“, sagte er und deutete
nach rechts.
    Als Grover Anne-May durch den Park spazieren sah,
stand ihm der Mund offen. Vermutlich hatte er insgeheim gehofft, dass Francis
übertrieben hatte. Grover mochte vielleicht in allem besser sein als er, aber
in dieser einen Sache, die ihm mehr bedeutete als alles andere, war er ihm
unterlegen.
    Francis atmete auf. Der Pfleger an Anne-Mays Seite
war der dicke Steve. Das würde ein Kinderspiel werden. „Also dann ...“, sagte
er. „Ab ans Steuer.“
    Grover konnte seinen Blick nicht von ihr lassen. Mit
linkischen Bewegungen ging er zur Fahrertür und setzte sich in den Chevy. Er
trug ein Shirt, auf dem „Pussymaster“ stand, dazu die ewigen schwarzen Stiefel.
Der gestiefelte Nerd, dachte Francis.
    Er schnippte die Zigarette weg und griff nach dem
Rucksack. Als er bei Anne-May gewesen war, hatte sie ihren Kulturbeutel
reingetan, dazu Unterwäsche, das Bild ihres Bruders, die CDs von
Arcade Fire und den Los Angeles Philharmonikern und ihren Geldbeutel mit
Ausweis. Der Brief, in dem sie ihre Flucht begründete, lag unter ihrem Kopfkissen.
    Kaum war er eingestiegen, rannte Anne-May auch schon
los. Vom Wagen aus konnten sie beobachten, wie Steve erst

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