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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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die älteste Tochter hatte keines die High School
geschafft. Jeden Freitag veranstalteten sie einen italienischen Abend, an dem
es Spaghetti oder Pizza gab, und manchmal luden sie dazu auch Francis und seine
Mutter ein.
    Er rief nach Toby. Sekunden später erschien in der
Tür ein Typ mit kurzen, blondgefärbten Haaren, blauen Baggy-Jeans und weißem
Unterhemd. Auf seinem linken Oberarm hatte er ein finster dreinblickendes
Gesicht und den Aufruf „Obey“ eintätowieren lassen. Toby war einundzwanzig und
lebte wie Francis ohne Vater. Abends saßen beide oft noch draußen vor ihren
Trailern und unterhielten sich, Toby gab ein Bier aus oder ließ ihn an seinem
Joint ziehen. Manchmal las er auch kleine Texte oder Lyrics vor, die er
schrieb. Er nannte sie Trailerpark
Diaries. Sie handelten davon, dass die
Leute aus ihrer Siedlung in Ketten lägen und es nur nicht wüssten. Oder dass
sie alle unpolitische, musikhörende Zombies mit Kopfhörern im Ohr seien, die
von der Regierung mit Fernsehen, Internet und anderen Drogen ruhiggestellt würden.
Francis fand die Texte immer etwas wirr und pathetisch, aber das machte nichts.
Er hatte seinen Nachbarn von Anfang an gemocht.
    „Unsere Klimaanlage ist kaputt“, sagte Toby und
deutete auf das weiße Ding, das aus dem Trailer der Millers herausragte. „Wir
haben keine Kohle, um sie reparieren zu lassen, und meine Mom rastet deshalb
mal wieder aus. Egal...“
    Francis fragte sich, ob man ihm ansehen konnte, was
er gerade erlebt hatte, und ob er wohl anders und älter wirkte. Doch Toby
redete mit ihm wie immer. „Na, was geht, Kleiner?“ Er durfte ihn als Einziger
so nennen. „Hast du schon das von Tammy Parks gehört?“
    „Wieso, was ist passiert?“
    „Ihre Mom ist vorgestern gestorben. Sie konnten die
Operation jetzt doch nicht bezahlen, ging alles ziemlich schnell.“
    „Scheiße.“ Francis musste an Mrs. Parks denken, die
ihn immer angeschnauzt hatte, wenn seine Katze auf ihre Veranda gelaufen war.
Und an ihre Tochter, mit der er vor ein paar Jahren zusammen gewesen war. „Hat
eigentlich alles geklappt?“, fragte er.
    Toby nickte und drückte
ihm den Ausweis in die Hand. Er sah genauso aus wie sein bisheriger, mit dem
einzigen Unterschied, dass Francis darauf einundzwanzig war. Toby hatte das
nicht selbst gemacht, jemand von den Leuten, denen er Drogen verkaufte, war
der beste Fälscher der Gegend.
    „Wieso wolltest du den eigentlich so schnell? Und wofür?“
    Francis hätte ihm von seinem Plan erzählen können
und dass er dafür einundzwanzig sein musste. Doch er behielt es lieber für
sich. „Zum Saufen!“, sagte er nur. Er kniff die Augen zusammen. „Wie viel bin
ich dir schuldig? Morgen krieg ich Geld, und dann kann ich dir ...“
    „Du schuldest mir gar nichts“, sagte Toby.
    Francis dachte an die Nacht vor zwei Jahren. Die
Millers waren schon immer laute Nachbarn gewesen. Die Wände ihres Trailers
waren nicht dick, und man hatte so gut wie alles mitbekommen. Etwa wenn der
Vater den Jungen verprügelt hatte oder seine Frau. Irgendwann war der Lärm
dann leiser und beklemmender geworden. Mädchengewimmer. Ihr Vater hatte immer
weitergemacht, er war ein arbeitsloser Säufer gewesen, ein Tyrann, der sich an
seinen Töchtern vergriff und den niemand bremsen konnte. Und dann, vor knapp
zwei Jahren - Francis hatte gerade ferngesehen -, hatte es bei ihm geklingelt.
Es waren Tobys Schwestern gewesen, sie hatten gefragt, ob sie bei ihm
übernachten könnten.
    „Mom ist heute Abend nicht da, und Toby wollte mit
ihm allein sein.“
    Francis hatte sie reingelassen, aber er hatte ein
unbehagliches Gefühl gehabt. Nebenan hatte es gescheppert. Immer wieder hatte
er dumpfes Gebrüll gehört, bis es plötzlich still geworden war. Einen Moment
lang hatte er geglaubt, dass jetzt jemand tot war. Aber dann war der Krankenwagen
gekommen und hatte Tobys Vater mitgenommen. Am nächsten Morgen hatte Francis
den Müll weggebracht. Es hatte geregnet, und auf einmal war Toby wie ein Geist
vor ihm aufgetaucht. Etwas an ihm war anders gewesen. Franeis hatte nicht
erkennen können, ob er geweint hatte oder ob sein Gesicht vom Regen nass
gewesen war. Sie hatten sich angestarrt.
    „Ich konnte es einfach nicht tun“, hatte Toby
schließlich gesagt. „Er ist mein Vater. Aber ich hab ihm gesagt, dass ich's
tue, wenn er noch mal hier auftaucht.“
    Danach hatten sie nie wieder darüber geredet, und danach
hatte auch niemand mehr in der Gegend Tobys Vater gesehen.
     
    Abends ging

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