Fast genial
spielen!“
„Ich war mal in einer Band“, sagte Grover. „Aber sie
haben mich vor ein paar Jahren rausgeschmissen.“
„Warum denn das?“
„Ich war ihnen zu hübsch.“
Anne-May lachte. Wieder sah sie ihn mit leuchtenden
Augen an, und Francis kam der Gedanke, dass Grover vielleicht gar nicht
hässlich war, sondern eher auf eine faszinierende Weise schlecht aussah. Und
was, wenn auch das nicht stimmte, wenn Grover nie so ein unattraktiver Nerd
war, wie er sich immer hatte einreden wollen?
Beim dritten Sixpack ließ Anne-May die anderen an ihrem
Liebesleben teilhaben. Schon etwas lallend erzählte sie von einem farbigen
Basketballspieler oder von den weichen Lippen einer Frau, die sie auf einer
Party geküsst hatte. Während Francis es sich vorzustellen versuchte, fragte er
sich, ob Anne-May überhaupt jemand war, der auf Partys ging'
Als Grover sie nach ihrem ersten Mal fragte,
überlegte Anne-May lange. Schließlich meinte sie, sie wolle diese Frage nicht
beantworten. Francis musste an ihren Vater denken. Wieso war alles so kaputt?
Dann stand er auf und ging auf die Toilette. Er stolperte über die Türschwelle,
im Spiegel sah er sich nur noch unscharf.
Als er zurückkam, schien es ihm, dass Grover und
Anne-May noch näher zusammengerückt waren. Er stand hinter den beiden und hörte
Grovers Stimme.
„Als ich sieben war, gab es einen Jungen in der
Klasse, der mich immer geärgert hat. Er hat mir meine Brille weggenommen und
mir vor allen Mädchen die Hose runtergezogen. Ich habe ihn so sehr gehasst.
Die anderen haben auch mitgemacht, alle haben sich lustig gemacht, aber am
meisten er. Einmal saß er allein im Klassenzimmer. Ich habe mich von hinten an
ihn herangeschlichen, und plötzlich bin ich durchgedreht. Ich habe nur noch
Funken und Blitze gesehen, und dann hab ich seinen Kopf genommen und auf die
Tischplatte gehauen. Ungefähr zwanzig Mal. Anfangs hat er sich noch gewehrt,
aber irgendwann war er bewusstlos. Ich hätte ihn getötet, wenn in diesem
Moment nicht die Lehrerin gekommen wäre.“
„Was ist dann passiert?“, fragte Anne-May.
„Meine Eltern mussten mich von der Schule nehmen.
Ich war zwei Monate in einem Heim und musste noch drei Jahre lang Medikamente
nehmen. Ich weiß nicht...“ Er nahm seine Brille ab, um sie zu putzen. „Es lief
einfach nie gut. Damals nicht und jetzt auch nicht.“
Er wollte die Brille wieder aufsetzen, doch Anne-May
hielt seine Hand fest. „Es muss nicht immer schlecht laufen“, sagte sie.
Grover sah sie überrascht an. Im nächsten Moment gab
sie ihm einen Kuss auf den Mund. Nicht lange, aber lange genug. Francis
brauchte ein paar Augenblicke, um zu begreifen. Bilder schossen ihm durch den
Kopf; Grover und Anne-May, wie sie im Wagen vorne saßen und lachten, wie
Anne-May im Pool seinen Schwanz angestarrt hatte, wie er mit den Drumsticks
trommelte. Zu sehen, wie Anne-May einen anderen küsste, machte ihn krank.
„Was soll der Scheiß?“
Beide drehten sich nach ihm um. Grover erschrocken,
Anne-May dagegen ruhig, und Francis begriff, dass sie die ganze Zeit gewusst
hatte, dass er hinter ihr stand. Ein paar Sekunden lang sah er ihr in die
Augen, dann ging er weg. Während er allein durch die Nacht lief, machte er sich
klar, dass Anne-May einen zerstörerischen Trieb hatte und ihn verletzen oder
herausfordern wollte. Grover konnte einfach kein Rivale sein, sie hatte ihn
nur aus Mitleid geküsst. Doch sosehr er sich das auch einredete, so sehr musste
Francis daran denken, dass Grover nicht in einem Trailer, sondern in einem
schönen Haus lebte oder dass er bald in Yale studieren würde und ihm nichts
davon gesagt hatte, und ohne es zu wollen, wurde er immer wütender.
Am nächsten Abend eskalierte die Situation. Den Tag
hatten sie schweigsam im Auto verbracht. Sie hatten die Rocky Mountains hinter
sich gelassen und waren bei Anbruch der Dunkelheit in einer Absteige in Arizona
gelandet. Nur ein blauer Pontiac mit dem Aufkleber „Unterstützt unsere Truppen“
und einem Weißkopfseeadler-Sticker auf dem Heck parkte im Innenhof. Auf einer
Ablage in ihrem Zimmer standen beleuchtete Jesusbilder, aber auch Pokale und
Spielzeugfiguren wie Battle Cat, Optimus Prime, Boba Fett, Silver Surfer,
He-Man, g .i . Joe und Hulk Hogan. Francis wollte die Schranktür
aufmachen, doch obwohl er daran zog und rüttelte, ließ sie sich nicht öffnen.
Er war kurz davor, die Tür aus der Verankerung zu reißen, da erlöste ihn
Anne-May. Sie schob die Tür einfach zur Seite
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