Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
Vom Netzwerk:
und warf ihm einen langen Blick
zu. „Du bist eben eher ein physischer Mensch“, sagte sie lächelnd, auch Grover
musste grinsen.
    Den beiden schien überhaupt nicht bewusst zu sein,
wie sehr ihn das traf. Wortlos packte Francis seine Sachen aus und legte sich
auf das Bett, und wenn ihn jemand etwas fragte, antwortete er nur einsilbig.
    Die anderen hatten vor, eine Kneipe zu suchen. „Kommst
du mit?“
    „Nein“, sagte Francis und meinte, er habe Kopfweh,
was gelogen war. Sie versuchten nicht, ihn zu überreden. Durchs Fenster sah er,
wie die beiden die einzige Straße entlangliefen und in der Dunkelheit
verschwanden.
    Allein im Hotelzimmer, trat Francis mit dem Fuß
gegen die Wand. Er hatte noch gut viertausend Dollar und war hier irgendwo im
Nichts gelandet. Um sich von dem Elend zwischen seinen Schläfen abzulenken, las
er noch mal einen Artikel über Warren P. Monroe, den Gründer der Samenbank der
Genies.
     
    Als Bauunternehmer und Börsenspekulant wird Monroe
Milliardär, bald gehört ihm ein Imperium aus Kliniken, Fabriken und
Fernsehsendern. Sein Lieblingsthema bleibt jedoch die Genforschung. Berühmt das
Motto, das Monroe einst einem Journalisten diktierte: „In GENial steckt
immer schon das Wort Gen.“ Wie so viele Visionäre vor ihm stört auch Monroe der
Gedanke, nur in diese Welt geworfen worden zu sein und nicht selbst Schöpfer
werden zu können. 1962 kommt es schließlich zu einer folgenschweren Begegnung.
Auf dem Ciba-Symposium in London lernt er seinen späteren Geschäftspartner, den
österreichischen Eugeniker Dr. Friedrich von Waidenfels, kennen. Von da an ist
es nur eine Frage der Zeit, bis die beiden beschließen, eine neue genetische
Elite zu züchten. Anfang der achtziger Jahre ist es so weit. Gemeinsam starten
sie ein Experiment, das für weltweites Aufsehen sorgen wird.
     
    Und er selbst war offenbar Teil dieses Projekts. Je
mehr Francis darüber nachdachte, desto wahnsinniger kam es ihm vor. Er legte
den Artikel weg und setzte sich draußen auf eine Bank vor dem Parkplatz. Es
dauerte nicht lange, bis die Besitzerin des Motels zu ihm kam. Sie hieß Janis
und hatte ihn schon vorhin beim Einchecken immer wieder angelächelt. Sie war
schön und für eine Frau relativ groß, sicher eins achtzig, ihre blonden Haare
waren jungenhaft kurz. Sie trug eine weiße Hose und ein violettes Hemd.
    „Da sieht aber einer nicht sehr fröhlich aus. Alles
klar bei dir?“, fragte sie im breiten Südstaatenslang und setzte sich neben
ihn. Sie bot Francis eine Zigarette an und reichte ihm ihr Feuerzeug.
    Er nahm einen Zug und erzählte ihr, dass er seinen
Vater suche, und nach einigem Zögern auch noch den Rest. Dabei fiel ihm auf,
dass sein Dad ein echter Harvard-Absolvent war, während man Ryan dort mal
abgelehnt hatte.
    Als Francis die Samenbank der Genies erwähnte, schüttelte
Janis den Kopf. „Das ist ja krank, wie in dem Film Gattaca“, sagte
sie, „da kann man ja gleich anfangen zu klonen.“ Sie betrachtete ihn und musste
dann lachen. „Jedenfalls gut, dass meine Granny nicht hier ist. Sie ist sehr
religiös, eine Quäkerin. Sie würde dich wahrscheinlich ein armes, gottloses
Wesen nennen.“
    Dieser Satz tat weh, auch wenn Francis sich nichts
anmerken ließ.
    Sie holten sich von der Tankstelle in der Nähe etwas
zu trinken. Auf einem Sofa in der Lobby stießen sie an. Janis meinte, dass sie
eigentlich aus Houston komme und das Motel mit ihrem Mann betreibe, der noch
einen Zweitjob in Denver habe und selten da sei. „Ich gehe hier noch ein“,
sagte sie und hielt sich die Hand vors Gesicht, um ihre rotlackierten
Fingernägel zu betrachten.
    Aus irgendeinem Grund gefiel sie Francis immer
besser. Janis war keine zehn Jahre älter als er, höchstens Ende zwanzig, und
hier im Nichts gestrandet. Ihre Zukunft schien öde, einsam und zementiert. Er
konnte verstehen, wie sie sich fühlte.
    Sie tranken noch mehr und erzählten sich
Geschichten, sie aus ihrer Kindheit in Houston, er von seiner in Jersey City.
Francis gestand, dass er als kleiner Junge geglaubt hatte, seine Mom wäre
unendlich reich, weil sie sich offenbar immer Geld aus dem Automaten ziehen
konnte, wenn sie welches brauchte. Sie begannen zu lachen, Janis lehnte sich
dabei an ihn. Schließlich glaubte Francis in seinem Rausch, dass er sie wolle.
    „Wie alt bist du?“, fragte sie.
    Er antwortete nicht und beugte sich vor, um sie zu
küssen, bereute es aber schon in derselben Sekunde. Als seine Lippen ihren
Mund berührten und sie

Weitere Kostenlose Bücher