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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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Loser am Hals. Und jetzt lässt er mich einfach
im Stich und zieht weg. Aber weißt du, was? Das macht nichts. Ich bin es
sowieso verdammt leid, mir diese widerlich harmonischen Abendessen bei ihm zu
Hause reinzuziehen!“
    Anne-May wollte ihn unterbrechen, aber Francis war
nicht zu bremsen. Er konnte selbst nicht fassen, was er da redete, aber
gleichzeitig wurde ihm klar, dass diese Worte - aus welcher Hölle sie auch
kamen - ein paar Wahrheiten enthielten.
    „Ich finde es unglaublich, dass du diesen Feigling
geküsst hast“, sagte er. „Grover traut sich nie, nie, nie etwas. Er wollte
anfangs nicht mal auf die Reise mitkommen, sondern sich lieber zu Hause in
seinem Keller verkriechen.
    Grover wird sich niemals ändern. Selbst wenn er
später mal Geld und eine Frau hat, wird er immer nur eine erbärmliche,
ängstliche Ratte bleiben, ein mieser, kleiner...“
    Es knallte an seiner Wange. Francis fasste sich
überrascht an die schmerzende Stelle und blickte zu Grover, der vor ihm stand
und auf eine Reaktion wartete. Er zitterte leicht und schien Angst zu haben,
für seine Ohrfeige verprügelt zu werden. Francis war darüber so erschrocken,
dass er gar nichts tat.
    Anne-May wollte erneut schlichten, doch er riss sich
los. „Fass mich nicht an!“, sagte er. „Du bist doch genau so falsch.
Wahrscheinlich haltet ihr beide euch für viel besser, nur weil ihr bald aus
Claymont abhauen werdet. Aber das ist mir egal, ich brauch euch sowieso nicht. Ich hasse euch!“
    Es wurde still. Francis fuhr sich noch mal über die
Wange, dann verließ er das Zimmer, ohne sich umzudrehen.
     
    5
     
    Es war Nachmittag, als Francis erwachte, sein Kopf
drohte zu platzen. Wie war er wieder zurück ins Motelzimmer gekommen? Er
erinnerte sich nur daran, über den Parkplatz getaumelt zu sein und sich in
einen Busch übergeben zu haben.
    Francis schleppte sich zur Toilette und pisste
anderthalb Minuten lang einen neongelben Strahl in die Schüssel. Ihm fiel auf,
dass Anne-May und Grover nicht da waren. Er zog sich an und trat ins Freie. Der
Chevy war noch da. Er schaute nicht nach links, nicht nach rechts und ging zur
Tankstelle, die ein paar hundert Yards entfernt war. Sein Frühstück bestand aus
Twinkies und Kopfschmerztabletten. Dann suchte er nach Anne-May und Grover,
weit konnten sie ja nicht sein. Es war heiß, die Straße war von Sträuchern und
Kakteen gesäumt, in der Ferne erhoben sich rötliche Gebirge. Als er durch den
angrenzenden Ort trottete, liefen ihm ein paar Hunde nach. Es wurden immer
mehr, bald waren es fünf oder sechs. Sie kläfften ihn an und machten einen
Riesenlärm. Erst beschleunigte Francis seine Schritte, aber dann blieb er
stehen und schrie die Hundemeute an: „Verpisst euch, ihr Drecksviecher!“
    Die Hunde bellten noch immer, aber sie folgten ihm
nicht mehr.
    Nach knapp zwei Meilen kam er in ein Dorf, das dem
Verfall preisgegeben war. An den Fassaden blätterte die Farbe ab, die meisten
Schaufenster waren mit Brettern zugenagelt, nur die Tankstelle und einige
Restaurants hatten noch offen. Hier fand er Anne-May und Grover. Sie saßen in
einem Pancake-House und aßen Waffeln mit Sirup. Als sie ihn bemerkten, schauten
beide zu Boden.
    „Hi“, sagte Francis, doch niemand antwortete ihm. Er
setzte sich zu ihnen an den Tisch. „Ich weiß auch nicht, was gestern los war,
wieso ich das alles zu euch gesagt habe. Ich hab's nicht so gemeint.“
    Grover sah ihn nicht an. „Doch, genau so hast du es
gemeint“, sagte er. „Gib wenigstens zu, dass es die Wahrheit war.“
    Francis nickte erschöpft. „Okay, es war die
Wahrheit. Manchmal denke ich so was. Aber das ist trotzdem nur die eine Seite.
Denn auf der anderen Seite bist du mein bester Freund, und ich wollte dich
nicht so angreifen. Wenn ich's wiedergutmachen kann, dann sagt mir, wie, und
ich tu's.“
    Beide reagierten nicht, und so lauschte Francis eine
Weile den Songs von Nancy Sinatra und Fats Domino, die aus der Jukebox in der
Ecke dröhnten. Kurz sah er seine Mutter vor sich, es war ihre Musik.
    „Ich erwarte nicht, dass ihr mir verzeiht“, sagte
Francis. „Es tut mir einfach nur leid.“
    Sie antworteten noch immer nicht. Als sie ihre
Waffeln gegessen hatten, zahlten sie und gingen zurück zum Motel. Wortlos
packten sie ihr Zeug und fuhren weiter. Durch die Heckscheibe sah Francis, wie
Janis ihnen mit verkniffenem Gesicht nachblickte.
     
    Da Grover unbedingt den Grand Canyon fotografieren
wollte, machten sie einen kurzen Abstecher zum

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