Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
Vom Netzwerk:
dich
vielleicht sogar. Ich dachte, das hätte ich dir in den letzten Tagen
klargemacht. Aber dann kamst du heute mit den Philharmonikern, und das war so
wunderbar von dir. Ich wollte es wirklich noch mal mit dir probieren und habe
so getan, als ob ich das Gleiche für dich empfinde wie du für mich ... Aber ich
kann einfach nicht.“
    Francis betrachtete den tropfenden Wasserhahn. Er
versuchte immer die Augen zu schließen, bevor der nächste Tropfen
herunterfiel. An diesem Abend in l. a . hatte er alles gegeben, was er hatte, und es war
offenbar immer noch zu wenig gewesen.
    Sie saßen eine Weile einfach nur da.
    „Das mit deinem Dad beruhigt mich jedenfalls“, sagte
er in die Stille. „Als du neulich die Frage nicht beantworten wolltest, wer
dein erstes Mal war, da dachte ich schon, es wäre dein Vater gewesen.“
    Sie schüttelte den Kopf. „Du warst mein erstes Mal.“
    „Was?“
    „In der Klinik, auf dem Flügel. Ich war noch
Jungfrau, es war auch mein erstes Mal.“
    „ Was?“
    „Ich hasse die meisten Männer, ich wollte auch nie
einen Freund. Es hat mich immer angewidert, wie die Typen mich angesehen haben.
Du hast mich zwar auch so komisch angesehen, aber du warst trotzdem anders, ich
weiß nicht, wieso. Verdammt, ich weiß gar nichts mehr.“
    „Und wozu dann die Nymphomaninnen-Nummer?“
    „Zum Schutz. Lieber die größte Hure der Welt sein
als die seltsame Frau, die keine Männer mag.“
    Francis biss sich auf die Lippe und dachte nach. „Okay,
ich sag dir jetzt mal was. Ich weiß, dass wir gut zusammenpassen würden. Mehr,
als du ahnst. Ich liebe dich so sehr, das reicht für uns beide! Dann kannst du
mich halt nicht lieben, mir egal. Wenn du dafür nur in meiner Nähe und nicht
mehr absichtlich so kalt bist wie in den letzten Tagen. Du brauchst mir nichts
mehr vorzuspielen oder Gefühle zu heucheln. Ich weiß, wer du bist, ich kenne
jetzt deine Geheimnisse, so wie du meine.“
    Sie kaute an einem Fingernagel. „Das geht alles
trotzdem nicht, und das weißt du“, sagte sie. „Meine Eltern würden dich nie,
nie, nie akzeptieren. Sie würden dich nicht ausstehen können und dir das Leben
zur Hölle machen. Du kennst sie nicht, du weißt nicht, wie sie sein können. Außerdem
würden wir einander sowieso nicht guttun. Du bist ein Verlierer aus dem
Trailerpark, und ich bin eine selbstmordgefährdete Patientin, die nicht
richtig lieben kann. Du bist gestört, und ich bin gestört.“
    „Minus mal minus ergibt plus, Anne-May.“
    Sie musste lächeln, während ihr die Tränen
herunterliefen. „Minus mal minus ergibt plus“, wiederholte sie. Sie nahm
seinen Kopf in ihre Hände und küsste ihn auf den Mund. „Ich habe in der letzten
Zeit wirklich oft an dieses Häuschen in San Francisco gedacht. Wenn wir da nur
einfach hinziehen und alles hinter uns lassen könnten... Ich würde es machen.
Sofort. Aber das Leben ist nicht so einfach, und das weißt du auch.“
    „Aber ich ... will !“ Er schrie es fast.
    „Du willst immer zu viel, Dean!“, sagte sie und
drückte seine Hand. Das war der Moment, in dem Francis ahnte, dass er auch Anne-May
verlieren würde.
    Sie wischte sich über die Augen. „Du hättest eben im
Casino deine Million gewinnen müssen, dann wäre jetzt alles einfacher.“
    „Ja, das war dumm, dass ich das nicht geschafft
habe. Die Spieler neben mir waren schuld, die haben mich nervös gemacht.“
    Er lächelte, während Anne-May das Blut von den Wunden
an ihrem Unterarm tupfte und sich ein Pflaster draufmachte. Danach ging sie zu
Bett. Francis folgte ihr, sie schmiegte sich unter der Decke an ihn.
Seltsamerweise schliefen sie gut.
     
    6
     
    Andy Kinnear wohnte in einem kleinen Haus in Hollywood.
Hier hatte jeder seinen Garten, Francis sah spielende Kinder, es war grün und
friedlich und familiär. Der Walk of Fame, die schönoperierten Zombies und das
Kodak Theatre, in dem die Oscars verliehen wurden, waren nur wenige Meilen
entfernt, doch hier war davon nichts zu spüren.
    Francis rieb sich die Augen. Obwohl die letzte Nacht
heftig und zu kurz gewesen war, fühlte er sich nun tatkräftig und
energiegeladen. Während Anne-May und Grover noch schliefen, stand er um Punkt
halb neun vor der Haustür der Kinnears und läutete. Ihm öffnete eine
rothaarige Frau, kaum älter als dreißig.
    „Hi! Ich bin Francis Dean, ich möchte gern zu Mr.
Kinnear.“
    „Ach, Francis. Greg hat gestern angekündigt, dass du
kommst. Mein Mann wollte eigentlich schon zurück sein, er geht um diese

Weitere Kostenlose Bücher