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Fast genial

Fast genial

Titel: Fast genial Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benedict Wells
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„Neues“ aufbauen wollen. Genau so
hatte sie es gesagt. Sie war von diesem „Neuen“ immer so fasziniert gewesen,
als wäre es das Geheimnisvollste, Aufregendste, was es gab.
    Francis betrachtete lange das Foto seiner Mutter,
und auf einmal bekam er eine Riesenwut, dass das Leben einen Menschen so
zugrunde richten konnte. Dass es aus dem strahlenden Mädchen auf dem Foto die
Frau aus dem Trailer machen konnte, die sich vermutlich noch immer nach dem „Neuen“
sehnte, während die Vergangenheit sie längst eingeholt hatte.
     
    7
     
    Francis legte das Blatt über seine Mutter beiseite. „Was
geschah eigentlich mit dem Sperma nach dem Ende der Samenbank?“, fragte er. „Ich
meine, ich hatte ja noch unzählige potentielle Geschwister.“
    „Sie wurden alle entsorgt.“
    Francis richtete sich auf. „Was? Einfach so?“
    „Das Experiment schlug fehl, wie du weißt. Die
meisten Geniekinder waren zwar leicht überdurchschnittlich begabt, aber so
genial wie Alistair Haley war sonst keiner. Von einer genetischen Elite konnte
keine Rede sein. Warren P. Monroe verlor zusehends die Geduld. Er verbrannte
nicht nur die Unterlagen, nach seinem Tod wurde auch seine Samenbank geschlossen.
Denn da war noch etwas ...“
    Francis sah Andy fragend an.
    „Dass die Kinder nicht Monroes Erwartungen entsprachen,
war nicht allein der Grund für die Schließung“, sagte dieser, „Es gab auch
einen Skandal, als einer unserer Spender der Presse bekannt wurde und
herauskam, dass er ein überzeugter Rassist war. Dazu kam der Wirbel um Dr. von
Waldenfels, den Eugeniker der Samenbank. Es gab Gerüchte, er habe als junger
Arzt für die Nazis gearbeitet, als man während des Zweiten Weltkriegs
medizinische Versuche an deportierten Kindern durchführte. Waldenfels hat
seine Mitarbeit immer bestritten, und es konnte ihm auch nie etwas nachgewiesen
werden. Als er sich dann allerdings vierzig Jahre später in den usa der
Menschenzucht widmete, sorgte das für viel Kritik. Nach Monroes Tod fand sich
schließlich niemand mehr, der die Samenbank finanzieren oder übernehmen
wollte, und sie wurde geschlossen.“
    Francis dröhnte der Kopf. Einerseits blickte er
immer wieder auf das Bild seines Vaters und spürte diese unglaubliche
Vorfreude, andererseits musste er an die Kinder denken, mit denen man Versuche
gemacht hatte. Als Andy ihm die Hand auf die Schulter legte, war er froh
darüber. Er dachte daran, wie er noch vor kurzem nichtsahnend mit seinen
Freunden in der Schulcafeteria gesessen hatte, es schien Jahre her zu sein.
    „Aus heutiger Sicht wirkt die Samenbank der Genies
antiquiert“, sagte Andy schließlich. „In der synthetischen Biologie stellt man
bereits künstlich Gene her, es kann gut sein, dass man eines Tages Menschen
komplett im Labor züchten kann ...“ Er sprach über Präimplantationsdiagnostik
und optimierte Kinder und begann darüber zu philosophieren, ob ein im Labor
gezüchteter, synthetischer Mensch eine Seele hätte und wie die anderen Menschen
denken, fühlen und träumen würde oder doch etwas ganz Eigenes wäre.
    Francis versuchte zuzuhören, doch seine Gedanken
schweiften immer wieder ab. „Was hat denn die Samenbank der Genies überhaupt
gebracht?“, fragte er.
    „Schwierig zu sagen. Denn natürlich war auch das Erbgut
der Mutter ein erheblicher Faktor, und das wurde damals kaum beachtet. Am
ehesten brachte das Experiment noch die Erkenntnis, dass die genetische
Herkunft nicht alles ist. Zwar hatten wir in unserer Spenderkartei später auch
brillante Musiker und Sportler, deren Kinder dann im musischen und athletischen
Bereich ebenfalls sehr begabt waren. Und man geht auch in Kreisen der
Wissenschaft davon aus, dass Intelligenz tatsächlich vererbbar ist. Aber das
ist eben nicht alles, wie bei einem in die Erde gepflanzten Samen. Die
Erziehung, die Familie und die Umwelt, in der ein junger Mensch aufwächst,
spielen genauso eine Rolle, sie sind der Dünger. Sonst wären ja alle Kinder so
genial geworden wie Alistair Haley.“
    „Er arbeitet als Geschäftsführer in einem Restaurant“,
warf Francis ein.
    „Ich weiß. Ich mochte ihn sehr. Alle dachten damals,
er würde die Mathematik revolutionieren, jetzt sorgt er dafür, dass Gäste ihren
Tofuburger kriegen.“
    „Aber warum?“
    „Seine Intelligenz hat ihn nie glücklich gemacht, er
konnte mit den Erwartungen nicht umgehen. Für ihn war es ein bedauernswerter
Zufall, dass von allen Kindern ausgerechnet er so begabt war.“ Andy lehnte
sich

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