Fast geschenkt
violette Tasche mit den Gagatperlen auch so gut wie gar nicht. Gerade als ich mein Portemonnaie aus der Tasche holen will und mir gedanklich dazu gratuliere, so unbeirrbar zu sein, erzählt mir die Verkäuferin ganz arglos: »Wussten Sie, dass wir diese Sandalen auch in Apfelsine haben?«
Apfelsine?
»Ah... aha«, sage ich nach einer Weile.
Interessiert mich nicht. Ich habe das, was ich haben wollte - Schluss, aus, Punkt. Lila Sandalen. Nicht orange.
»Sind gerade ganz frisch reingekommen«, fährt sie fort und wühlt auf dem Boden herum. »Ich glaube, die werden sich noch besser verkaufen als die in Flieder.«
»Ach, ja?« Ich bemühe mich sehr, gleichgültig zu klingen. »Na ja, aber ich nehme einfach diese hier, glaube ich...«
»Hier sind sie!«, ruft sie. »Ich wusste doch, dass sie hier irgendwo waren...«
Und ich erstarre, als sie die exquisitesten Sandalen, die ich je gesehen habe, auf denTresen stellt. Sie sind von einem blassen, cremigen Orange und haben die gleichen zarten Riemen wie mein lila Paar - aber statt der Brombeere ziert eine winzige Apfelsine den Zeh.
Es ist spontane Liebe. Ich kann schlicht nicht mehr wegsehen.
»Möchten Sie sie anprobieren?«, erkundigt sich die Verkäuferin, und in meiner Magengrube tobt unstillbares, sehnsüchtiges Verlangen.
Sieh sie dir doch bloß an. Herrlich. Die schönsten Schuhe, die ich je gesehen habe. O Gott.
Aber ich brauche keine orangefarbenen Schuhe, oder? Ich brauche sie nicht.
Komm schon, Becky. Sag. Einfach. Nein.
»Also, eigentlich...« Ich schlucke und versuche, meine Stimme unter Kontrolle zu behalten. »Eigentlich...« Gott, ich bringe es kaum raus. »Ich nehme einfach nur die in Flieder heute«, würge ich schließlich hervor. »Danke.«
»Okay...« Sie tippt einen Code in die Kasse. »Das wären dann 89 Pfund. Wie möchten Sie zahlen?«
»Ah... Kundenkarte, bitte«, sage ich. Ich unterschreibe den Zettel, nehme meine Tasche, und verlasse leicht betäubt den Laden.
Ich hab‘s geschafft! Ich hab‘s geschafft! Ich habe mich vollständig unter Kontrolle gehabt! Ich habe nur ein Paar Schuhe gebraucht - und ich habe auch nur eins gekauft. Rein in den Laden, raus aus dem Laden. Ganz nach Plan. Sehen Sie, was ich alles kann, wenn ich nur will? Das ist die neue Becky Bloomwood.
So, und weil ich so brav und tapfer gewesen bin, habe ich jetzt eine kleine Belohnung verdient. Ich steuere das nächste Cafe an und setze mich mit einem Cappuccino in die Sonne.
Ich will diese Apfelsinensandalen, schießt es mir durch den Kopf, als ich den ersten Schluck trinke.
Hör auf. Hör auf. Denk an... etwas anderes. Luke. Den Kurzurlaub. Unseren allerersten gemeinsamen Urlaub. Ich kann es kaum abwarten!
Schon seit unserer ersten Verabredung wollte ich Luke vorschlagen, gemeinsam Urlaub zu machen, aber Luke hat immer so wahnsinnig viel zu tun. Da könnte man genauso gut den Premierminister fragen, ob er nicht mal eine Weile mit dem Regieren aufhören könnte. (Obwohl, das tut er doch jeden Sommer, oder nicht? Also warum kann Luke das dann nicht?)
Luke arbeitet so viel, dass er noch nicht mal Zeit hatte, meine Eltern kennen zu lernen, und das ärgert mich schon ein bisschen. Vor ein paar Wochen haben sie ihn sonntags zum Mittagessen eingeladen, Mum hat Ewigkeiten in der Küche gestanden und gekocht - oder sagen wir, sie hat die bei Sainsburys gekauften, mit Aprikosen gefüllten Schweinelendchen gebraten und ein ganz exklusives Fertigdessert aus Schokolade zusammengerührt. Und dann hat Luke in letzter Minute abgesagt, weil einer seiner Kunden schlechte Publicity in der Sonntagszeitung hatte und er zu einer Krisensitzung musste. Also musste ich allein zu meinen Eltern, und das war offen gestanden eine mehr als triste Angelegenheit. Mum war die Enttäuschung an der Nasenspitze anzusehen, und trotzdem hat sie immer wieder betont fröhlich gesagt: »Ach, was soll‘s, war ja nur eine lose Verabredung.« Aber das war es natürlich nicht. Am nächsten Tag hat Luke (oder Mel, seine Assistentin) ihr einen riesigen Blumenstrauß als Entschuldigung geschickt, aber das ist doch nicht das Gleiche, oder?
Das Schlimmste an der Sache war, dass unsere Nachbarn, Janice und Martin, nachmittags auf ein Glas Sherry hereinschneiten, »um den berühmten Luke kennen zu lernen«, wie sie sich ausdrückten - und als sie dahinter kamen, dass er gar nicht da war, hagelte es mitleidsvolle und leicht selbstgefällige Blicke, da ihr Sohn Tom nämlich nächste Woche seine geliebte Lucy
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