Faszination Menschenfresser
der bedrohten Arten entfernt wurde. Ein Entscheidung, die jedoch glücklicherweise 2009 von einem Bezirksgericht in Montana revidiert wurde.
Düster sieht auch die Zukunft des Europäischen Braunbären vor allem in Mittel- und Südeuropa aus. Hier sind die Bestände vieler Braunbärenpopulationen rückläufig. Kleinere Populationen wie zum Beispiel in den Pyrenäen oder im italienischen Trentino sind sogar akut vom Aussterben bedroht. Und in Österreich wurde die ohnehin schon winzige Braunbärenpopulation offensichtlich durch Wilderei arg gebeutelt.
Einer erfolgreichen Wiederansiedlung, etwa in den Alpen, steht die mangelnde Akzeptanz zumindest eines Teils der Bevölkerung im Weg. Viele Menschen sind einfach nicht dazu bereit, künftig ihren gewohnten Lebensraum mit großen Raubtieren zu teilen.
Das Stichwort Akzeptanz bringt uns automatisch zu unserem nächsten Kandidaten, dem Wolf. Auch hier herrschen bei der Bevölkerung der mitteleuropäischen Staaten immer noch große Ressentiments gegen eine Wiedereinbürgerung. Mütter fürchten um ihre Kinder, Landwirte um ihr Vieh, und Teile der Jägerschaft sehen durch Meister Isegrim die Bestände ihres jagdbaren Wildes gefährdet. Glücklicherweise nimmt der Bestand des Wolfes jedoch in vielen europäischen Ländern, wenn auch langsam, wieder zu. Und in einigen Ländern, in denen der Wolf schon lange als ausgerottet galt, wie etwa Deutschland oder Frankreich, ist der Wolf sogar zurückgekehrt. Allerdings ist diese Tatsache für Naturschützer sicherlich noch kein Grund zur Euphorie. Dafür sind einfach viele Wolfspopulationen noch viel zu fragil. Will heißen: Nur eine konsequente Aufklärung der Bevölkerung kombiniert mit strikten Schutzmaßnahmen wird letztendlich das Überleben bzw. Wiedereinleben einer Tierart sichern, die früher in ganz Europa heimisch war.
Letztendlich läuft es in Sachen Zusammenleben mit Menschenfressern auf eine einzige Frage hinaus: Wollen wir, um tödliche Zwischenfälle zu vermeiden, die ohnehin schon geschwächten Bestände dieser Tiere ausrotten, oder sehen wir Löwe, Tiger und Weißen Hai als einen Teil unserer Welt an, den wir nicht missen möchten?
Oder um es anders auszudrücken: Eine Welt ohne Menschenfresser wäre sicherlich eine etwas weniger gefährliche Welt, ob sie aber erstrebenswert ist, das ist eine ganz andere Frage.
Lieber Leser, gestatten Sie mir am Ende dieses Buches noch eine sehr persönliche Bemerkung. Während der Recherche für dieses Buch hat sich ein Menschenfresser zunächst meine stille Bewunderung, dann eine klammheimliche Sympathie und schließlich einen festen Platz in meinem Herzen gesichert: Gustave, das Mörderkrokodil aus dem Ruzizidelta. Was hat man nicht alles getan, um diesem zugegebenermaßen extrem gefährlichen Krokodil den Garaus zu machen. Aber Gustave, ein Koloss wie aus der Urzeit übrig geblieben, hat alle menschlichen Attentate auf seinen gepanzerten Körper – Maschinenpistolenfeuer eingeschlossen – nicht nur mit stoischer Ruhe, sondern auch einer gehörigen Portion List nahezu unbeschadet überstanden. Da stellt sich natürlich die Frage, ob es heute in Zeiten einer unerbittlichen political correctness auch nur ansatzweise akzeptabel ist, Sympathien für einen tierischen Serienkiller zu entwickeln, der gleich Dutzende von Menschen auf dem Gewissen hat. Auch wenn sich dieser Serienkiller nach allem, was man so aus dem Ruzizidelta hört, mittlerweile vom Saulus zum Paulus gewandelt hat und heute abstinent von Menschenfleisch lebt. Ich habe mir die Freiheit genommen, diese Frage mit einem klaren »Ja« zu beantworten. Schließlich hat Gustave sich letztendlich nur so verhalten, wie das die Evolution für ihn vorgesehen hat: Er hat alle diejenigen gefressen, die in der Nahrungskette unter ihm stehen – und das schließt eben bedauerlicherweise Menschen mit ein. Aber vielleicht will ich aber ja auch nur eine Lanze für ein Tier brechen, dem die Herzen der Menschen nicht gleich auf Anhieb zufliegen. Menschenverspeisende Krokodile sind ja nun wirklich nicht gerade in einer Liga mit Pandabären, was ihre Sympathiewerte angeht. Aber wie gesagt, das ist eine sehr persönliche Einstellung.
Literatur
Ajay Singh, Yadav (2000): The Man-Eating Wolves of Ashta. Srishti Publishers & Distributors, New Delhi
Amotz Zahavi, Avishag Zahavi (1998): Signale der Verständigung. Das Handicap-Prinzip. Insel Verlag, Frankfurt/Main
Amstrup, S. C.; Marcot, B. G. & Douglas, D. C. (2007): Forecasting the
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