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Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Faszinierend wie der Kuss des Herzogs

Titel: Faszinierend wie der Kuss des Herzogs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: AMANDA MCCABE
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knorrigen Mandelbäumen bewachsen, und den rissigen Boden viel interessanter, als ihr das unversehrte Kastell erschienen wäre. Denn diese Ruine erzählte Geschichten von Heldentum und Tod und Leidenschaft, wie es unbeschadete Mauern niemals vermocht hätten.
    Inmitten dieser Stille und alter Erinnerungen fühlte sie sich seltsamerweise ganz eng mit Averton – Edward – verbunden. Hier war er nicht der Ehrfurcht gebietende, extravagante Aristokrat, sondern einfach nur ein Mann, der ihre Hand hielt.
    Könnte es bloß immer so sein … Doch das war unmöglich. Er würde stets ein Duke bleiben und sie eine Diebin. Und die Außenwelt würde sie beide erwarten und belagern, so wie diese Mauern vor all den Jahrhunderten.
    Behutsam entzog sie ihm die Hand und durchquerte die drei Höfe der Ruine. Die Röcke gerafft, stieg sie über Felsen und Vogelnester hinweg. „Die Burg wurde 1082 erbaut“, erklärte sie. „Eine Zeit lang benutzten die Bourbonen sie als Gefängnis, weil die Treppe am Hang der einzige Zugang war und leicht bewacht werden konnte.“
    „Ist es hier immer so menschenleer?“, fragte Averton.
    „Keineswegs. Meine Familie war noch nicht hier, weil sich meistens zahllose englische Touristen in dieser Ruine tummeln. Und die sizilianischen Führer nehmen ihnen viel zu viel Geld ab. Darauf verstehen sie sich sehr gut.“ Clio schenkte ihm ein Lächeln über ihre Schulter hinweg. „Offenbar haben die Leute von Ihrer Ankunft erfahren und wollen Ihnen das Feld überlassen, damit Sie sich ungestört umschauen können.“
    „Da sehen Sie es – manchmal ist ein erlauchter Adelstitel vorteilhaft, sogar ein unerwünschter.“
    „Vom unwillkommenen Titel eines Dukes habe ich noch nie gehört.“
    „Nun, meine Liebe, es gibt sehr viel, was Sie nicht über mich wissen, zum Glück für uns beide.“ Mit diesen rätselhaften Worten schlenderte er an ihr vorbei in den Turm.
    Aus grauen, inzwischen verwitterten Steinen errichtet, so wie die übrige Festung und ein Großteil der Stadt, ragte der Turm drei Stockwerke hoch empor. Efeu umrankte die Mauern. Am Fuß der schmalen Wendeltreppe, die winzige Fensterschlitze nur schwach erhellten, blieb Averton stehen, wartete auf Clio und reichte ihr seine Hand. Wann immer es nötig ist, werde ich Sie festhalten. Wortlos ergriff sie seine Finger, und sie stiegen hinauf.
    Nicht nur lockere Kieselsteine bedeckten die steilen Stufen, sondern auch der Abfall zahlreicher Touristen – zerrissene Taschentücher, leere Weinflaschen, ein zerfleddertes englisch-italienisches Wörterbuch. Mit einer Stiefelspitze schob Edward den Müll beiseite. Clio hörte in der halbdunklen Stille nur fernes Vogelgezwitscher – und das Rauschen ihres eigenen Blutes in den Ohren.
    Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie gefährlich der Duke war, wie unberechenbar. In seiner Gegenwart ahnte sie nie, was er tun würde – was sie tun würde. Ihn küssen oder schlagen? Jedenfalls endeten ihre Begegnungen stets mit einer Katastrophe.
    Sie tauchten im Tageslicht auf und traten an die alten Zinnen. Hier wehte ein kühler Wind, der an Clios Haaren und Röcken zerrte. Doch die Aussicht war atemberaubend. Goldschimmernde Berge reihten sich bis zum Ätna aneinander. Auf der anderen Seite glänzte der silbrige Pergusa-See, an dessen Ufer Persephone Blumen gepflückt hatte und von Hades entführt worden war.
    Noch eine unvorsichtige Frau, dachte Clio. Aus Persephones tragischem Schicksal sollte sie eine Lehre ziehen – und ihren Blick niemals vom Horizont abwenden. Trotzdem tat sie es – unfähig, der Versuchung zu widerstehen.
    Die Ellbogen auf die Mauer gestützt, schaute Edward zum See hinüber. Sein rotgoldenes Haar flatterte im Wind. So einsam wirkte er …
    Nur zu gut kannte sie die Einsamkeit. Doch sie durfte kein Mitgefühl empfinden, keine Schwäche zeigen. Entschlossen betrachtete sie wieder die Landschaft.
    „Etwas so Schönes sah ich noch nie“, brach er das Schweigen.
    „Ich auch nicht. Aber Sie haben sicher viel mehr von der Welt gesehen als ich. Sind Sie nicht ein Mitglied des Traveller’s Club?“
    Ohne sich vom See abzuwenden, bestätigte er lächelnd: „Ja, das stimmt.“
    „Dann müssen Sie mindestens vier Länder bereist und wunderbare Orte besucht haben, so pittoresk und exotisch, dass sich diese rustikale Gegend nicht damit messen kann.“
    „Um Exotik zu genießen, braucht man London nicht zu verlassen, Clio. Wenn man Wahrheit und Schönheit sucht, sollte man hierher fahren. Was

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