Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
nicht richtig auf das Leben vorbereitet.“
„Unsinn!“, protestierte Clio entschieden. „Es gefällt uns, so zu leben wie du und Mutter und eurem Vorbild zu folgen. Wenn ich mir vorstelle, wir würden nähen und sticken und dummes Zeug schwatzen …“
„Und Ehekandidaten suchen?“, ergänzte er scherzhaft.
„Oh, das wäre am schlimmsten.“
„In dieser Hinsicht habe ich versagt. Wäre eure Mutter noch am Leben, würde sie passende Partien für euch finden. Während ich euch in meiner Selbstsucht schon viel zu lange bei mir behalte …“
„O nein. Calliope ist gut verheiratet – und eine Countess, Cameron ist ein wunderbarer Mann. Und er liebt sie sehr.“
„Ja, die Liebe. Beinahe glaube ich, ihr modernen jungen Musen kommt ohne sie aus.“
„Damit hast du völlig recht, Vater. Aber … du hast Mutter doch geliebt, nicht wahr?“
„Natürlich.“ Sir Walter lächelte traurig. „So schön war sie, so temperamentvoll und leidenschaftlich. Wie du, Clio.“
„Wie ich?“
„Von all meinen Töchtern bist du Celeste am ähnlichsten.“
Zärtlich streichelte sie seine Hand. „Dann muss ich auf den Richtigen warten, so wie sie.“
„Am besten suchst du dir einen Mann aus, der sich mit dir messen kann. Um das zu schaffen, muss er eine Herkulesarbeit vollbringen.“ Er lachte leise und stand auf. „Fast hätte ich’s vergessen – ich habe jemanden eingeladen, heute Vormittag die Ausgrabung zu besichtigen. Vermutlich wird er auch an unserem Picknick teilnehmen.“
Langsam klappte sie ihren Skizzenblock zu. Immer wieder kamen englische Touristen in die alte Villa. Aber irgendetwas im Tonfall des Vaters erregte ihr Misstrauen. „Wer ist es? Hoffentlich keiner dieser seltsamen Männer aus Palermo, die sich als ‚Bewacher‘ ausgeben.“
„Nein, die wollen nur unsere Altertümer stehlen und verkaufen. Zum Glück haben wir unsere eigenen Wachtposten. Keine Bange, mein Liebes – der Duke of Averton wird uns besuchen.“
„Averton?“, murmelte sie. Eigentlich dürfte sie nicht überrascht sein. Der Mann verstand es meisterhaft, sich wieder in ihr Leben einzuschleichen. Und ein Duke war überall willkommen. Doch sie hatte angenommen, ihr Vater würde ihn nicht besonders mögen – keinen der Radcliffes.
Andererseits wusste Sir Walter nicht, was zwischen seiner Tochter und Averton geschehen war.
„Ja“, bestätigte er etwas zu fröhlich. „Thalia erzählte mir, Lady Riverton habe seine Anwesenheit in Santa Lucia erwähnt. Und ich dachte, er würde sich für unsere Arbeit interessieren …“
„Aber – er ist …“
„… ein übereifriger Sammler“, unterbrach er sie. „Das weiß ich. Nun, so schrecklich, wie du anscheinend glaubst, ist er nicht, Clio, sondern ein anerkannter Wissenschaftler. Vor allem hat er sich auf die Punischen Kriege spezialisiert. Und das könnte uns hier helfen.“ Besänftigend tätschelte er ihren Arm. „In seiner Jugend hat er einige Fehler begangen, das stimmt. Doch ich habe gehört, er würde einen neuen Anfang machen und sich so verhalten, wie es seinem Titel, seiner Familie und seiner Verantwortung entspricht. Ich finde, wir sollten ihm eine Chance geben.“
„Nun, dann werde ich ihn höflich empfangen, Vater. Haben wir genug Speisen und Wein?“
Erleichtert lächelte er sie an. „Lady Rushworth ist nach Santa Lucia gefahren, um Nachschub zu holen, zudem ein paar Lakaien, die zusätzliche Tische im Pavillon aufstellen sollen.“
Lachend schüttelte sie den Kopf. „Bringt Averton ein ganzes Gefolge mit? Oder sogar ein Heer?“
„Bei diesen Herzögen kann man nie wissen, mein Liebes. Lady Rushworth dachte einfach nur, wir müssten uns auf alles vorbereiten.“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Aber Averton hat sich nie so verhalten wie die meisten Dukes, nicht wahr?“
Allerdings nicht, dachte Clio ironisch. „Nun will ich Cory helfen, ihre Wasserfarben wegzuräumen. Hätte ich gewusst, welch einen erlauchten Gast wir erwarten, würde ich edle Seide und Federn tragen.“
Sir Walter küsste ihre Wange. „Was immer du anhast, du bist wunderschön, Clio. Und ich glaube, Seine Gnaden teilt meine Meinung.“
Ehe sie protestieren konnte, ging er davon. Wie viel mochte er wissen? Und nahm er an, sie würde irgendetwas wissen?
Clio und Cory verstauten die Farbkästen in den Körben. Dann hängten sie die neuen Aquarelle an eine Leine, an der sie trocknen sollten.
Bewundernd musterte Clio eine Rekonstruktion der Villa, wie sie in ihrer
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