Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
tiefer Stimme. „Du hast gestohlen, was den Göttern gehört!“
Vor lauter Schreck stolperte Giacomo und verlor das Gleichgewicht, sodass Edward aus dem Schatten springen und ihn festhalten konnte. Voller Genugtuung beobachtete Clio, wie sich der Sizilianer vergeblich loszureißen versuchte. Dann duckte sie sich hinter den Felsblock und behielt die Bühne im Auge. Sicher würden die anderen gespenstisch gekleideten Darsteller bald erscheinen, wenn alles planmäßig verlief.
Und wenn Giacomos Komplizen sich nicht einmischten. An ihrem Schenkel spürte sie das tröstliche Gewicht des Dolchs, den sie zwischen den Rockfalten befestigt hatte.
„Also wirklich, es ist sehr unhöflich, ein Theater vor dem Ende einer Aufführung zu verlassen“, mahnte Edward in Konversationston. Clio spähte am Felsbrocken vorbei und sah, wie er den verzweifelten Giacomo eisern festhielt. „Wohin wollten Sie denn fliehen? Hat Miss Thalias Szene Sie an irgendetwas erinnert?“
Atemlos stammelte Giacomo eine Antwort auf Italienisch. Obwohl Clio nur einzelne Wörter verstand, entnahm sie seiner Erklärung, er habe „ihnen gesagt“, es sei „nicht sicher“.
Sehr gut. Vielleicht würde dieses Erlebnis ihn in Zukunft an weiteren Raubzügen in alten Gräbern hindern. Und Rosa brauchte sich nicht mehr zu sorgen. Aber erst einmal mussten sie das Silber finden.
„Soviel ich weiß, haben Sie einen Teil des alten Tempelschatzes bereits entdeckt“, sagte Edward ebenfalls auf Italienisch. „Haben Sie auch den Rest gefunden? Wo ist er?“
„ Si – wir haben den Altarschmuck ausgegraben.“
„Und verkauft?“, stieß Edward wütend hervor. „Auf ungesetzliche Weise?“
„Das hätte ich nicht tun dürfen! Ich kenne die Legende, den Fluch. Davor hat meine Mutter mich gewarnt …“
„Aber gegen gutes Geld aus der heutigen Zeit können alte Geister nichts ausrichten, was?“
„Der Legende nach gehört der Schatz den Göttern. Darauf hätte ich achten müssen! Wie der Conte …“
„Conte di Fabrizzi? Ist er an diesen Machenschaften beteiligt?“
Atemlos wartete Clio auf die Antwort.
„Nein, nein“, beteuerte Giacomo, „er wusste es besser. Heute Abend haben Sie ihn ja gesehen.“
„Und wer hat Sie bezahlt?“, fragte Edward. „Wer ist Ihr englischer Kunde? Frobisher?“
„Natürlich, der trat zuerst an uns heran. Aber das Geld stammt nicht von ihm. Genauso wie wir wird er bezahlt. Wenn er das auch bestreitet – wir alle kennen die Wahrheit.“
„Lady Riverton …“, sagte Edward langsam. „Also hat sie Frobisher und die tombaroli angeheuert. Das dachten wir uns bereits.“
Bevor Giacomo antworten konnte, sah Clio, wie Frobisher das Theater verließ. Noch war die Aufführung nicht beendet. Sie hörte das Echo von Thalias gespenstischer Stimme. Trotzdem eilte der Mann in die Richtung von Santa Lucia.
Clio legte ihr Kostüm ab, schob es in einen Spalt am Fuß des Felsblocks und stürmte zu Edward. „Da ist er!“, rief sie und packte ihn am Arm. „Jetzt müssen wir gehen!“
Edward nickte und stieß Giacomo von sich. Kraftlos sank der Italiener zu Boden und schlug die Hände vors Gesicht.
„Schande über Sie, Giacomo!“, fauchte Clio, bevor sie mit Edward hinter Frobisher herrannte. „Was werden Ihre Eltern von alldem halten?“
„Und was würde dein Vater sagen, wenn er dich jetzt sehen könnte, meine Liebe?“, fragte Edward. Zu ihrer Überraschung verwandelte sich der bedrohliche Duke blitzschnell in einen humorvollen, zu Scherzen aufgelegten Mann. „Mitten in der Nacht läufst du mit einem Mann durch die Berge!“
„Zweifellos würde er sagen, wir müssten die Antiquitäten retten. Immerhin ist er Sir Walter Chase. Komm schon, wir müssen uns beeilen!“
Sie beschleunigten ihre Schritte und behielten Ronald Frobisher stets im Auge. Für einen Gentleman, der nur an Partys und modischen Dingen interessiert war, bewegte er sich erstaunlich schnell. Clios Lungen brannten, ihre Beine schmerzten. Doch sie blieb an Edwards Seite und umklammerte seine Hand. Endlich stürmten sie durch das Stadttor von Santa Lucia.
Da fast alle Bewohner im Amphitheater saßen, herrschte tiefe Stille in den Straßen. Der Abendwind blies Staubwolken über den Marktplatz. Frobisher ließ sich nirgendwo blicken.
„Haben wir ihn verloren?“, japste Clio enttäuscht.
„Ich ahne, wo er steckt“, erwiderte Edward.
„In Lady Rivertons Palazzo?“
„Wo sonst? Für alle Fälle habe ich einige Wachtposten zu seinem Haus
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