Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
Schulter. Wie aus weiter Ferne hörte sie Edwards Schreckensschrei, die hastigen Schritte Frobishers, der aus dem Salon flüchtete.
Edward half ihr, sich aufzurichten. „O Clio!“ In seiner Stimme schwangen Verzweiflung und Panik mit. Dass er sich fürch ten konnte, überraschte sie. „Bitte, Liebling, verlier nicht die Besinnung! Bleib bei mir!“
„Hat er eine Ader getroffen?“, flüsterte sie. „Werde ich verbluten?“ An ihrem Arm rann etwas Warmes, Klebriges hinab, in ihrem Kopf drehte sich alles.
„Nein.“ Edward zog sein Jackett aus, zerriss sein Hemd und schlang weiches Leinen um ihre Schulter. „Das lasse ich nicht zu.“
„Noch nie wurde ich verwundet.“
„Dann hattest du Glück – bei diesen verdammten Risiken, die du ständig eingehst!“, fauchte er. „Warum musstest du dich auf einen Mann stürzen, der einen Dolch in der Hand hielt?“
„Weil ich dachte, er würde die Schale beschädigen. Wenn er uns entwischt – wenn er weiß, wo Lady Riverton ist – wo sich der restliche Silberschatz befindet …“
„Allzu weit wird er nicht kommen.“ Er hielt sie in den Armen, wiegte sie behutsam hin und her, während die Schmerzen verebbten. So müde fühlte sie sich – und geborgen in seiner Nähe. „Nun bringe ich dich nach Hause, damit du verarztet wirst.“
„Und damit du mich wieder einsperren und vor neuen Gefahren bewahren kannst …“
Lächelnd küsste er ihre Stirn. „Für dich wäre kein Schloss stabil genug.“
„Aber … das Silber ist verschwunden!“
„Glaubst du, ich lasse dich hier in deinem Blut liegen und laufe einem Verbrecher und irgendwelchen Antiquitäten nach? Niemals!“ Edward stand auf und hob sie vorsichtig hoch.
30. KAPITEL
„Nach allem, was hier passiert ist, werden wir uns in England ganz schrecklich langweilen“, prophezeite Thalia.
Clio saß auf der Terrasse und nippte an ihrem Tee. Den verletzten Arm in einer Schlinge, genoss sie den warmen Nachmittagssonnenschein. „Ich fürchte, da hast du recht. Unsere Arbeit in Santa Lucia ist fast beendet. Sogar Vater hat das erkannt.“
Beim Frühstück war Sir Walter – entsetzt über die folgenschweren nächtlichen Eskapaden seiner älteren Tochter – zu dem Entschluss gelangt, den Sommer in Genf zu verbringen. „Wir werden auf dem Genfer See Boot fahren und Bergtouren unternehmen.“
Angewidert schnitt Thalia eine Grimasse. „Bergtouren! Gewiss, du kletterst wie eine Bergziege. Aber was soll ich machen?“
„Schreib noch ein Theaterstück – über erzürnte Götter, gestohlene Altertümer …“
„Und tapfere Heldinnen, die auf der Jagd nach skrupellosen Schurken ihr Blut vergießen?“ Fürsorglich rückte Thalia den Schal um die Schultern ihrer Schwester zurecht. Dabei passte sie auf, die Schlinge nicht zu berühren.
Clio lachte. „Natürlich dürfte deine Heldin nicht nur einen Kratzer abkriegen. Sie müsste ernsthaft verletzt werden.“
„Ach, nur ein Kratzer! Hätte der Duke nicht so schnell gehandelt, wäre die Blutung gefährlich gewesen.“
Träumerisch dachte Clio an die letzte Nacht, in der Edward sie aus dem Palazzo getragen hatte, an seine zärtlichen Worte auf dem Heimweg. Niemals lasse ich dich im Stich. Und das glaubte sie ihm. „Soll er der Held in deinem Drama werden?“
„Was für eine gute Idee! Ein englischer Aristokrat, der seine geheime Mission missachtet, weil die Liebe wichtiger ist. Außerdem wird ein Zigeuner die verfluchten Antiquitäten stehlen …“ Eifrig nahm Thalia einen Schreibblock aus ihrer Arbeitsmappe und begann sich Notizen zu machen.
In ihren Sessel zurückgelehnt, beobachtete Clio, wie Rosa mit frischem Tee und einer Kuchenplatte aus dem Haus kam.
Nachdem die Köchin das Tablett auf einen kleinen Tisch gestellt hatte, breitete sie eine Decke über Clios Knie und vermied es dabei, sie anzuschauen.
„Wie geht es Giacomo, Rosa?“, fragte Clio leise.
„Inzwischen wieder ganz gut, Signorina. Seit seiner Kindheit leidet er unter Albträumen. Und letzte Nacht war es besonders schlimm.“
„Ich hoffe, man kann etwas gegen diese … Albträume unternehmen.“
„Si, si, er zieht nach Palermo, zu meinem Bruder. Der betreibt einen Lebensmittelladen, und Giacomo wird bei ihm arbeiten. Dazu wollten wir ihn monatelang überreden. Jetzt ist er endlich damit einverstanden.“
„Sicher wird er seine Sache gut machen.“
Rosa nickte. „Bleiben Sie nicht so lange hier draußen, Signorina, Sie brauchen Ihre Ruhe“, mahnte sie und eilte ins
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