Faszinierend wie der Kuss des Herzogs
flirten. Und was unseren kühnen Plan betrifft, ist er ein großartiger Mitverschwörer. Aber ich nehme ihn nicht ernst. Vermutlich werde ich ihn nie wiedersehen, wenn wir Santa Lucia verlassen.“
Da war sich Clio nicht so sicher, denn sie entsann sich, wie er ihre Schwester angesehen hatte. Doch sie merkte es jedes Mal, wenn Thalia über irgendetwas nicht reden wollte. Und als sie die rebellische Miene des Mädchens sah, nickte sie nur.
„Um dich und den Duke of Averton sorge ich mich viel mehr“, sagte Thalia.
„Was meinst du?“ Aber Clio war keine so gute Schauspielerin wie ihre Schwester. Mit ihrem unschuldigen Ton konnte sie niemanden täuschen.
„Nun, er will das alte Silber finden. Wenn er sich dir anvertraut hat, musst du ihn in letzter Zeit getroffen haben.“
Clio zog den Schal enger um ihre Schultern. „Natürlich weiß er, wie wichtig wir Chases solche Antiquitäten nehmen.“
„Mhm – ja. Das konnte ihm wohl kaum entgehen. Aber früher habt ihr beide ständig gestritten.“
„Manchmal muss man die Differenzen der Vergangenheit vergessen, um der Zukunft willen.“
„Wie gewählt du dich ausdrückst … Das solltest du niederschreiben. Da wir gerade vom Schreiben reden – ich muss endlich anfangen, unsere Theaterszene zu verfassen. Übermorgen beginnen wir mit den Proben.“
„Hoffentlich fällt dir etwas Gruseliges ein.“
„Verlass dich darauf. Donner und Blitz – das wird richtig unheimlich.“ Thalia ging zum Fenster. Bevor sie hineinkletterte, warf sie einen Blick über ihre Schulter. „Bleib nicht die ganze Nacht hier draußen, um mit dir selber zu reden. Allmählich wird es kalt.“
„Keine Bange. In ein paar Minuten gehe ich hinein.“ Clio blickte zu den Sternen auf. Jetzt war sie allein – und doch nicht. Nicht mehr so allein wie bei ihrer Arbeit in dem alten Bauernhaus. Gemeinsam mit Edward, Thalia und Marco würde sie eine bedeutsame Aufgabe erfüllen. Aber sie teilten auch die Gefahr, in die der kühne Plan sie brachte. Und dieser Gedanke ließ sie erschauern.
Ein paar Schritte entfernt, stand Edward im Schatten und beobachtete, wie Clio mit ihrer Schwester sprach. Erst wenn sie ins Haus gegangen war, würde er den Heimweg antreten.
Für Clios Sicherheit zu sorgen, das war seine allerwichtigste Aufgabe. Hier in Sizilien – und überall. Immer.
Sie hatte behauptet, sie wäre keine gute Duchess. Da irrte sie sich.
Schließlich sah er sie ins Haus zurückkehren. Die Tür war geschlossen. Hinter den Fenstern erloschen die Lichter. Langsam wanderte er in die Richtung seines Palazzos.
Als er Clio entführte, war es ihm nur um ihren Schutz gegangen. Doch er hätte es besser wissen müssen. Mit keiner Frau, die er gekannt hatte, ließ sie sich vergleichen. Ihre Intelligenz, ihre Unabhängigkeit, ihr Idealismus, die innere Kraft und Energie, die sie aufbot, wenn sie irgendetwas wichtig nahm – das alles bewunderte und liebte er …
Abrupt blieb er vor seiner Haustür stehen und runzelte erstaunt die Stirn. Nicht weil er Clio liebte, sondern weil er so lange gebraucht hatte, um das zu erkennen. Gewiss, er liebte sie! Alles an ihr, sogar ihre Hartnäckigkeit, die ihn manchmal zum Wahnsinn trieb. Sie war seine andere Hälfte, seine Gefährtin, seine Duchess. Ob sie es glaubte oder nicht.
Ja, er würde sie heiraten, und wenn sie noch so entschieden dagegen protestierte. Das verlangte die Ehre, nach allem, was im Cottage zwischen ihnen geschehen war. Und die Liebe.
Eines Tages würde sie es erkennen, ebenso wie er.
Sobald die Gefahr überstanden war, würde er sie vor den Traualtar führen.
29. KAPITEL
Clio spähte hinter einem Wandschirm hervor, der hastig im Hintergrund der Bühne aufgestellt worden war und als Versatzstück diente. Noch hatte die Aufführung nicht begonnen, das Publikum traf eben erst ein. Die Besucher gingen zu ihren Plätzen; weiche Kissen lagen auf den Steinbänken. Über dem Tal sank die Sonne und beleuchtete festliche Kleider, die Seidenroben der englischen Damen, den schwarzen Sonntagsstaat Rosas, ihrer Verwandten und Freundinnen. Die Leute lachten und schwatzten, als wäre die Vorstellung ein ganz normales amüsantes Ereignis, niemand schien Verdacht zu schöpfen.
„Sind alle da?“, fragte Thalia.
Clio lächelte ihre Schwester an, die bereits ihr Kostüm trug, eine fantasievolle Kreation aus Leinen und weißem Musselin. Den zerfetzten Saum und die Enden der voluminösen Ärmel hatte sie mit Silberfarbe bestrichen, die im flackernden
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