Fata Morgana
Stiftungen und sonstige gemeinnützige Einrichtungen bedacht, seiner Tochter Mildred und seiner Adoptivtochter Pippa (Ginas Mutter) jeweils die gleiche Summe ausgesetzt und den Rest seines riesigen Vermögens zur treuhänderischen Verwaltung bestimmt, wobei die Einnahmen daraus auf Lebenszeit an Caroline gehen.«
»Und nach ihrem Tod?«
»Nach ihrem Tod soll das Erbe gleichmäßig unter Mildred und Pippa aufgeteilt werden – oder unter deren Kindern, falls sie vor Caroline sterben.«
»Demnach würde dieses Geld an Mrs Strete und an Gina fallen.«
»Ja. Caroline verfügt auch über ein recht beträchtliches eigenes Vermögen – wenn auch nicht annähernd in der Kategorie Gulbrandsen. Die Hälfte davon hat sie vor vier Jahren auf mich übertragen. Von dem übrigen Betrag sollen nach ihrem Tod zehntausend Pfund an Juliet Bellever gehen und der Rest gleichmäßig unter Alex und Stephen Restarick aufgeteilt werden, ihren beiden Stiefsöhnen.«
»Du meine Güte«, sagte Miss Marple. »Das ist schlimm. Das ist sehr schlimm.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es bedeutet, dass jeder im Haus ein finanzielles Motiv hätte.«
»Ja. Aber wissen Sie, ich glaube trotzdem nicht, dass irgendeiner von ihnen einen Mord begehen würde. Ich kann es einfach nicht glauben... Mildred ist ihre Tochter – und bereits mehr als ausreichend versorgt. Gina liebt ihre Großmutter heiß und innig. Sie ist großzügig und extravagant, hat aber kein Erwerbsstreben. Jolly Bellever ist Caroline geradezu fanatisch zugetan. Die beiden Restaricks lieben Caroline, als wäre sie ihre leibliche Mutter. Sie haben zwar selbst kein nennenswertes Vermögen, aber Caroline hat mit einem beträchtlichen Anteil ihres Einkommens ihre Unternehmungen finanziert – vor allem die von Alex. Ich kann einfach nicht glauben, dass einer der beiden sie vorsätzlich vergiften würde, nur um schneller an sein Erbe zu kommen. Nichts davon halte ich für möglich, Miss Marple.«
»Dann hätten wir noch Ginas Mann.«
»Ja«, sagte Lewis ernst. »Ginas Mann ist auch noch da.«
»Sie wissen doch eigentlich nicht viel über ihn. Und es ist nicht zu übersehen, dass er sehr unglücklich ist.«
Lewis seufzte. »Er fügt sich hier nicht ein – nein. Er hat weder Interesse noch Verständnis für das, was wir zu erreichen versuchen. Aber wenn man's genau nimmt – warum sollte er so etwas tun? Er ist jung und alles andere als zimperlich, und er kommt aus einem Land, in dem ein Mann danach beurteilt wird, wie viel Erfolg er im Leben hat.«
»Während wir hier eine Schwäche für die Gescheiterten haben«, sagte Miss Marple.
Lewis Serrocold warf ihr einen strengen, misstrauischen Blick zu.
Sie errötete leicht und murmelte ziemlich zusammenhanglos: »Wissen Sie, ich denke mir manchmal, man kann auch in der anderen Richtung übertreiben... Ich meine die jungen Leute guter Abstammung, die in einem guten Elternhaus umsichtig erzogen wurden – und über Grips und Mumm verfügen, also alle Voraussetzungen mitbringen, im Leben ihren Mann zu stehen – na ja, das sind eigentlich, wenn man's genau betrachtet, die Leute, die ein Land braucht.«
Lewis legte die Stirn in Falten, und Miss Marple sprach hastig weiter, wobei sie immer stärker errötete und sich immer mehr verhedderte.
»Nicht, dass ich nicht zu würdigen wüsste, was Sie und Carrie Louise hier tun – ganz im Gegenteil – ein wirklich edles Werk – wahres Mitgefühl – und man sollte Mitgefühl haben – denn letztlich kommt es darauf an, was die Menschen sind – Glück und Pech – und man erwartet (zu Recht) viel mehr von denen, die Glück haben. Trotzdem denke ich manchmal, der Sinn für die Verhältnismäßigkeit – oh, ich meine nicht Sie, Mr Serrocold. Eigentlich weiß ich überhaupt nicht, was ich meine – aber die Engländer sind da wirklich komisch. Sogar im Krieg viel stolzer auf ihre Niederlagen und Rückzüge als auf ihre Siege. Ausländer verstehen nie, warum wir so stolz auf Dünkirchen sind. Sie selber würden von so was lieber nicht reden. Aber uns ist es fast peinlich, wenn wir siegen – und wir tun so, als wär's unfein, sich damit zu brüsten. Wirklich eine seltsame Eigenschaft, wenn man's genau besieht.«
Miss Marple musste Luft holen.
»Was ich eigentlich meine, ist, dass alles hier dem jungen Walter Hudd ziemlich komisch vorkommen muss.«
»Ja«, räumte Lewis ein. »Ich verstehe, was Sie meinen. Und Walter hat sich im Krieg ausgezeichnet. Seine Tapferkeit steht außer Zweifel.«
»Was
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