Fatal Error
genommen.
Mel Dean und Ingrid Da Cunha saßen hinter mir, Guy ihnen gegenüber. Mel trug enge Jeans, ein weißes T-Shirt, eine Jeansjacke und viel Make-up. Eine blonde Strähne zog sich durch ihr langes dunkles Haar, das sie sich um den Nacken gelegt hatte, sodass es ihr über die Schulter auf die Brüste fiel. Und was für Brüste! Ihre Freundin Ingrid trug Baggy Trousers und T-Shirt. Ich kannte die beiden. Mel ging seit fünf Jahren auf die Schule, aber wir waren nie im selben Kurs gewesen, und ich hatte während der ganzen Zeit kaum ein Wort mit ihr gesprochen. Ingrid war erst seit anderthalb Jahren in Broadhill.
Als ich die beiden Mädchen begrüßte, hatte Mel kaum eine Miene verzogen, während Ingrid mit freundlichem, offenen Lächeln reagiert hatte. Ich überließ Guy den Small Talk: Nach Ingrids heiserem Lachen zu urteilen, machte er seine Sache gut. Genüsslich ließ ich mich in die dunkelblauen Ledersitze sinken. Ich saß zum ersten Mal in einem Flugzeug. Das war das Leben.
Guy setzte sich neben mich. »Kennst du meinen Vater?«
»Nein«, sagte ich. »Ich glaube nicht, dass ich ihn schon mal gesehen habe. Abgesehen von den Zeitungsbildern natürlich.« Tony Jourdan war ein Wunderkind des
Londoner Immobilienmarktes gewesen. Mein Vater wusste alles über ihn, doch zu der Zeit, als ich mit dem Zeitunglesen anfing, war der größte Wirbel schon vorbei. Zweimal hatte ich in Private Eye etwas über ihn gelesen: dass er einen Stadtrat wegen der Planung eines Einkaufszentrums geschmiert und dass er einen Partner rücksichtslos aus der Firma gedrängt habe. Doch meistens tauchte sein Name auf den Klatsch- und nicht den Wirtschaftsseiten auf.
»In Broadhill ist er nur zweimal gewesen. In den letzten Jahren habe ich ihn nicht oft gesehen. Aber er wird dir gefallen. Er versteht zu leben.«
»Wunderbar. Hat er wieder geheiratet?«
»Ja, vor einigen Jahren. Dominique, eine französische Schlampe. Ich habe sie nie kennen gelernt. Vergiss sie. Du sollst dich amüsieren.«
»Das werde ich.« Ich zögerte. Eigentlich freute ich mich auf den Besuch von Bars und Restaurants. Ich war jetzt achtzehn und wollte von meinem legitimen Recht Gebrauch machen: trinken bis zum Abwinken. Allerdings gab es da ein Problem. »Guy?«
»Ja?«
»Ich hab nicht viel Geld dabei. Ich meine, ich muss mich wohl hin und wieder ausklinken. Das verstehst du doch, oder?«
Guy grinste breit. »Nee, das gibt’ s nicht. Dad zahlt. Glaub mir, er tut’s gern. Er ist immer großzügig, vor allem, wenn es darum geht, Spaß zu haben. Wenn du knapp bei Kasse bist, frag mich. Echt!«
»Danke.« Ich war erleichtert. Fünf Jahre lang war es mir gelungen, mit einem Bruchteil dessen auszukommen, was viele meiner Mitschüler in Broadhill benötigten. Ich befürchtete jedoch, dass es in der Welt draußen sehr viel schwerer sein würde. Und auf die Vorzüge eines Studentenkredits musste ich noch einige Monate warten.
Der Jet glitt über die schmalen, grünen Falten im Hinterland der Riviera hinweg, überflog ein Städtchen, das von zwei ungewöhnlichen Apartmenthäusern überragt wurde - sie sahen aus, als wären sie aus Legosteinen gebaut -, erreichte das tiefblaue Mittelmeer und wandte sich schließlich nach Osten, um den Flughafen Nizza anzufliegen, ein ungewöhnlich flaches, unregelmäßiges Rechteck: ein Stück trockengelegtes Land, das ins Meer hinausragte.
Tony Jourdan erwartete uns am Terminal. Er musste mindestens fünfundvierzig Jahre alt sein, wirkte aber jünger. Mir fiel die Ähnlichkeit mit Guy auf, nicht nur, was das Aussehen betraf, sondern auch die Art, wie er sich bewegte. Er hieß uns mit dem gewinnenden Lächeln seines Sohnes willkommen und bugsierte uns alle auf die Rücksitze seines offenen gelben Jeeps.
Er kutschierte uns durch Nizza, auf der Promenade des Anglais entlang, die auf der einen Seite von Hotels, Apartmentgebäuden und Fahnenmasten gesäumt wird, auf der anderen von Palmen, Strand, Sonnenanbetern und Meer. Dann ging es Richtung Inland, und wir zwängten uns durch den dichten Verkehr zur Corniche, der berühmten Küstenstraße, die sich nach Monte Carlo schlängelt. Doch unsere Fahrt ging noch höher hinauf, hinter uns das Mittelmeer und über uns die maritimen Alpen, und führte durch einen Tunnel, von wo aus wir eine schmale, gewundene Straße erreichten. Es ging noch ein gutes Stück hinauf, bis Tony vor einem drei Meter hohen Eisentor hielt. Les Sarrasins stand auf einem der Torpfosten. Er betätigte eine
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