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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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felsigen Bucht unter den Klippen, auf denen Les Sarrasins thronte. Es war schwierig, dorthin zu kommen. Wir mussten einen steinigen Pfad hinabklettern, und die Brecher waren heftiger als in Beaulieu. Auf der einen Seite hatten sich Nudisten, auf der anderen Schwule eingerichtet. Andere Badegäste gab es kaum, und in besserer Stimmung hätte es mir sicherlich gefallen. Aber auch so verschaffte mir der Strand wenigstens die Gelegenheit, mich hinzulegen, die Augen zu schließen und niemanden zur Kenntnis zu nehmen.
    Ich breitete mein Handtuch auf einem glatten Felsen neben Ingrid aus, legte mich mit dem Gesicht nach unten darauf und schloss die Augen. Ich konnte das lebhafte Treiben hören, das sich rund um mich her entfaltete. Guy und Tony hatten eine Kühltasche voller Bier mitgebracht und widmeten sich ihr. Es hörte sich an, als kämen sich Vater und Sohn darüber näher, doch sonst schien niemand an dem Bier interessiert zu sein.
    Es machte mich krank. Tony hatte gerade die Freundin seines Sohns gevögelt, fühlte sich dadurch aber nicht gehindert, mit ihm zu trinken und Witze zu reißen. Guy hatte keine Ahnung, was geschehen war. Mel war sehr still, ungeachtet aller Versuche von Guy, sie ins Gespräch zu ziehen.
    Als ich ein leichtes Kitzeln am Oberschenkel fühlte, wandte ich mich um und öffnete ein Auge. Dominique lag neben mir, auf einen Ellbogen gestützt. Ihre nackten Brüste lagen auf dem glatten Fels. Mir fiel ein Fleck auf der Innenseite ihres Unterarms auf, als wäre dort eine Stelle mit Make-up, an der Sand klebte. Merkwürdig.
    »Qa va?«, fragte sie mit einem Lächeln, das verführerisch sein sollte oder spöttisch oder beides.
    Ich drehte mich zur anderen Seite. Das mochte unhöflich sein, aber es war die einzige Möglichkeit, die mir zu Gebote stand, um meine Ansicht zum Ausdruck zu bringen.
    Die andere Seite, das war Ingrid. Auch sie sonnte sich oben ohne wie jede Frau hier am Strand, Mel ausgenommen. Zwar hatte Ingrids Haut einen herrlichen goldenen Ton, aber ihre Brüste waren lange nicht so voll wie Dominiques, und sie hatte auch nicht die Kurven der Französin. Ingrid sah ganz normal aus, real. Doch plötzlich erschien mir ein Mädchen in meinem Alter viel attraktiver als Dominique mit all ihrem vermeintlichen Glamour.
    Ich bemerkte, dass Ingrid mich hinter ihrer dunklen Sonnenbrille beobachtete. Sie grinste.
    »Tschuldigung«, sagte ich und schloss die Augen. Ich fühlte mich zu elend, um verlegen zu sein. Die Sonne brannte mir auf den Rücken, und ich schlief wohl ein.
    Einige Zeit später hörte ich das Zischen eines Biers, das neben mir geöffnet wurde. Dann spürte ich den Schock des kalten Aluminiums auf dem Rücken. Ich fuhr hoch. Tony saß an der Stelle, wo Dominique gelegen hatte.
    »Auch eins?«, fragte er.
    »Nein, vielen Dank«, sagte ich.
    Er nahm einen Schluck aus der Dose. Er saß einen halben Meter von mir entfernt und hatte die Augen aufs  Meer gerichtet.
    »Wenn du meine Frau noch einmal anrührst, bringe ich dich um«, sagte er ruhig und sachlich.
    Meine Kehle wurde trocken. Ich schluckte. »Verstanden.«
    »Gut. Morgen rufst du deine Eltern in England an. Sie werden dir mitteilen, dass es einen Notfall in der Familie gibt und dass du sofort nach Hause musst. Was es für ein Notfall ist, bleibt dir überlassen. Ich fahre dich zum Flughafen, und du nimmst den Vier-Uhr-Flug nach Heathrow. Keine Sorge, das Ticket bezahle ich.«
    »In Ordnung«, sagte ich. Ich war mehr als einverstanden.
    »Gut. Und damit eines absolut klar ist: Ich möchte dich hier nie wieder sehen.« In seinen Augen lag ein gefährlicher Ausdruck.
    »Falls Guy dich je wieder hierher oder in eines meiner anderen Häuser einladen sollte, sagst du nein. Hast du verstanden?«
    »Vollkommen.«
    »Sehr schön. Dann werde ich mich jetzt zu den anderen gesellen.«
    Ohne hinzusehen, goss er den Rest des Biers über meinen Bauch.
    Ich schoss hoch, als die kalte Flüssigkeit auf meine Haut traf, aber ich ließ ihn gewähren. Ich sah zu, wie er ins Wasser hinabkletterte: ein reicher, einflussreicher Mann, der beweisen wollte, dass er noch genauso jung war und genauso gut aussah wie sein Sohn. Was ihm natürlich nicht gelingen konnte. Egal, wie viel Einfluss er hatte, wie viel Geld er ausgab, wie viele junge Mädchen er verführte, er würde immer achtundzwanzig Jahre älter sein als Guy. Es war traurig zu beobachten, dass sich jemand, der so erfolgreich im Leben war, mit dieser unausweichlichen Wahrheit nicht abfinden

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