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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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und vertraute ihm. Die Konkurrenten mochten es mit innovativen Marketingkampagnen, höheren Einlagezinsen und jungen, dynamischen Filialleitern versuchen, doch nichts von alledem vermochte ihm seine treue Klientel abspenstig zu machen. Bislang war der Bausparkasse, für die er arbeitete, die Demutualisierung - die Umwandlung in eine öffentliche Bank - erspart geblieben, und seine Vorgesetzten erkannten, dass es keine Vorteile bringen würde, ihn von seinem Posten zu entfernen, sondern nur Nachteile. Während der Rezession Anfang der neunziger Jahre hatte es einen heiklen Augenblick gegeben, als ihn die Zentrale kritisiert hatte, weil er keinen härteren Kurs gegenüber den Kunden einschlug, die mit ihren Hypothekenzahlungen in Verzug geraten waren, aber er hatte auch diese Zeit überstanden. Er hatte noch zwei Jahre bis zum Ruhestand.
    »Setz dich, David. Ich hab ein Guinness für dich bestellt. Danke, dass du hierher gekommen bist. Eigentlich hätte ich ja auch nach Wapping ...«
    »Aber nein, Dad. Mach dir keine Gedanken. Hier ist es wunderbar.«
    »Ich hab mich schon die ganze Woche auf meinen Pudding gefreut. Deine Mutter kocht so was ja nicht mehr.« Er rieb sich seinen stattlichen Bauch. »Dabei würde sie ein Pfund mehr oder weniger gar nicht bemerken.«
    Wir bestellten eingelegte Garnelen, Seezunge und eine Flasche Sancerre.
    »Dein Haarschnitt gefällt mir«, sagte mein Vater. »Erinnert mich an meinen Wehrdienst. Jedenfalls siehst du damit ganz anders aus.«
    Ich lächelte. »Ich glaube, ich fühle mich auch ganz anders.«
    »Wie denn? Ist es kühler am Kopf?«
    »Nein. Diese Sache, die ich mit Guy Jourdan aufziehe. Sie ist ganz anders als alles, was ich vorher gemacht habe.«
    Ich war etwas nervös, als ich das sagte. Mein Vater hatte sich sehr gefreut, als ich Wirtschaftsprüfer geworden war, und war außerordentlich stolz, als ich bei einer angesehenen Handelsbank angefangen hatte. Meine Entscheidung, bei Guy einzusteigen, hatte ich nicht mit ihm besprochen, stellte nun aber fest, dass mir doch an seiner Zustimmung gelegen war.
    »Ein folgenreicher Schritt, Gurney Kroheim zu verlassen«, sagte er.
    »Stimmt. Aber es hat sich so viel verändert, seit die Bank von der Leipziger übernommen wurde.«
    »Du hast keine Lust, für die Krauts zu arbeiten, was? Kann ich verstehen.«
    »Nein, das ist es nicht. Es sind gar nicht viele Deutsche da, und die, mit denen ich zu tun hatte, waren ganz in
    Ordnung. Es ist die ganze Branche. Die Hire-and-Fire-Kultur, die Fusionen, Umstrukturierungen, die Unternehmenspolitik. Das alles macht einfach keinen Spaß mehr.«
    »Und die Sache mit Guy Jourdan macht Spaß?«
    »O ja. Bis jetzt jedenfalls. Tatsächlich habe ich in meinem Beruf noch nie so viel Spaß gehabt. Ich meine, wir arbeiten zu dritt in Guys Wohnung und haben nichts mehr als ein leeres Stück Papier. Aus dem Nichts bauen wir etwas aus eigener Kraft auf. Das ist etwas ganz anderes, als für eine große Organisation zu arbeiten.«
    »Wie soll das Ganze funktionieren?«
    Ich erklärte es ihm. Beim ersten Gang, dem Fisch und dem größten Teil der Flasche Wein. Er hörte zu. Er war ein guter Zuhörer.
    Der Kellner räumte unsere Teller ab und drückte uns die Dessertkarte in die Hand. Mein Vater brauchte lange, um sich für den Fruchtpudding mit Vanillesoße zu entscheiden. Ich nahm den Brot-und-Butter-Pudding.
    »Wie geht es Guy?«, fragte er.
    »Gut. Sehr gut sogar.«
    »Vertraust du ihm?«
    Ich zögerte. »Ja.«
    Mein Vater hob die Augenbrauen.
    »Ja«, wiederholte ich entschiedener.
    »Ich dachte, ihr beiden hättet euch vor einigen Jahren entzweit. Irgendwas mit einem Mädchen?«
    »Deswegen und aus anderen Gründen.« Ich hatte meinem Vater nicht viel davon erzählt.
    »Und dann war da diese Geschichte in Frankreich.«
    »Ja.« Auch davon hatte ich ihm nicht viel berichtet.
    »Tony Jourdan war ein bisschen rücksichtslos, meine ich mich zu erinnern. Erfolgreich, aber rücksichtslos.«
    »Das stimmt.«
    »Und?«
    »Ich glaube, Guy hat sich verändert«, sagte ich.
    »Glaubst du?«
    »Ich bin ziemlich sicher.«
    Mein Vater sah mich prüfend an. »Gut«, sagte er schließlich. Als der Pudding kam, strahlte er. »Na, dann wollen wir mal.« Er ließ sich den ersten Löffel auf der Zunge zergehen. »Köstlich. Nun, ich glaube, es war eine sehr gute Entscheidung.«
    »Ehrlich, Dad?«
    »Ja. Für jeden kommt einmal die Zeit, wo er ein Risiko eingehen muss. Ich habe meine Chance irgendwann verpasst. Aber es hört

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