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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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unendlich.«
    »Und was will sie jetzt machen?«
    »Es durchstehen, denke ich. Was soll sie sonst tun?«
    »Nach Hause fahren.«
    »Vielleicht.«
    »Sie sieht nicht besonders glücklich aus.«
    »Du auch nicht«, sagte Ingrid.
    Ich gab keine Antwort.
    »He, was macht ihr beiden hier? Wollt ihr nicht zu uns rüberkommen?« Es war Dominique, die jetzt enge weiße Jeans trug und ein schwarzes Top unter einer weißen Jacke. Sie lächelte fröhlich.
    »Komm schon, David. Erzähl mir ein bisschen was.«
    »Vielen Dank, ich glaube, ich bleibe noch ein bisschen. Es ist so schön hier.«
    »Wie du möchtest«, erwiderte Dominique und fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Was war das denn?«, fragte Ingrid und betrachtete Dominiques schwingende Hüften, als diese die Terrasse verließ.
    »Frag nicht«, sagte ich. »Bitte.«
    Ingrid warf mir einen Blick zu. »Das wird ja immer merkwürdiger.«
    Der Abend war öde. Ich vermied es nach Möglichkeit, mit irgendjemandem zu sprechen, vor allem mit Dominique. Niemand amüsierte sich richtig, und Tony wirkte noch immer ärgerlich. Um zehn Uhr löste sich die Gesellschaft auf. Zusammen mit Guy ging ich ins Gästehaus zurück. Er fragte sich noch immer, warum alle so lahm waren.
    Lange Zeit lag ich in einem merkwürdigen Dämmerzustand im Bett. Bilder der nackten Dominique wirbelten mir durch den Kopf und lösten Wellen der Erregung und Scham aus, bis meine Augen brannten und die Lenden schmerzten. Mir war höchst seltsam zumute. Meine Kehle war eng. Wie rasend schlug mein Herz. Von Zeit zu Zeit öffnete ich die Augen und versuchte, mich zu beruhigen. Dann begann wieder alles von vorn. Ich hatte keine Ahnung, was ich vom ersten Sex erwarten konnte, aber das ganz gewiss nicht. Irgendwann in der Nacht gaben die Bilder endlich Ruhe, und ich sank in tiefen Schlaf.
    Lautes Klopfen an unserer Schlafzimmertür weckte mich. Einen Augenblick später wurde die Deckenbeleuchtung angedreht. Als ich mich aufsetzte, sah ich Tony in der geöffneten Tür stehen. Im künstlichen Licht wirkte sein Gesicht hager.
    »Wie spät ist es?«, krächzte Guy.
    »Vier Uhr.«
    Guy und ich blinzelten ins Licht. Was, zum Teufel, fiel Tony ein, uns um vier Uhr morgens zu wecken.
    »Ich habe schlechte Nachrichten«, sagte er. »Sehr schlechte Nachrichten. Es geht um Dominique. Sie ist tot.«
April 1999, The City, London
    Man muss früh bei Sweetings erscheinen, um noch einen Tisch zu bekommen. Es handelt sich um ein überfülltes kleines Fischrestaurant in der Nähe von Mansion House, in dem ein Italiener mit üppigem Schnurrbart ein strenges Regiment über seine Gäste führt. Schnell rein, schnell raus und eine gewaltige Rechnung, die vor dem Verlassen an der Kasse zu begleichen ist. Das Lokal erinnert fast an den Speisesaal einer Schule mit Alkoholausschank. Und ausgezeichnetem Fisch. Aber ich denke, es ist vor allem der Fruchtpudding und der warme Kuchen mit Vanillesoße, der die Leute anlockt. Mein Vater jedenfalls war verrückt danach.
    Alle paar Monate, seit ich bei Gurney Kroheim angefangen hatte, traf ich mich dort mit ihm zum Mittagessen, wenn ihn eine seiner Geschäftsreisen nach London führte. Er äußerte sich nie sehr genau darüber, und ich habe nie wirklich genau verstanden, was der Leiter einer kleinen Bausparfiliale in London zu tun hatte, aber ich habe ihn auch nie danach gefragt. Ich vermute, er wollte einfach mal aus unserer Kleinstadt herauskommen, ein oder zwei alte Freunde treffen, zwei Stunden lang durch die Metropole schlendern und mit mir zu Mittag essen. Ich mochte diese Mittagessen und er auch.
    Ich kam fünf Minuten zu spät, aber er hatte schon zwei Hocker an einer der Bars besetzt, die zum Mittagessen gedacht waren. Hinter der Bar hantierte ein pickliger
    Teenager herum. Mein Vater widmete sich einem kleinen Guinness in einem Zinnkrug. Für mich stand auch schon eins bereit. Er strahlte, als er mich erblickte, und schüttelte mir begeistert die Hand.
    Mein Vater war ein großer, freundlicher Mann mit Glatzenansatz und einer Brille, die auf halber Höhe der Nase saß. Es war ein kleines Wunder, dass er sich in seiner Branche noch behauptete, obwohl er schon über sechzig war. Der Grund war sein Scharfsinn, den er gut zu verbergen wusste, und seine Weigerung, Beförderungen zu akzeptieren, die ihn in das politische Minenfeld der überregionalen Zentralen verpflanzt hätten. Er machte seine Arbeit ausgezeichnet. Man kannte ihn in der kleinen Kreisstadt, in der meine Eltern lebten,

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