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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Patrick Hoyle, der in fließendem Französisch verlangte, augenblicklich zum Inspektor gebracht zu werden. Er drängte sich an mir vorbei, wobei er mich mit seinem dicken Bauch an den Türrahmen quetschte, und begann auf Sauville einzureden. Ich überließ die beiden sich selbst und machte mich auf die Suche nach Guy.
    Ich fand ihn im Garten, er saß auf dem Stamm des Olivenbaums neben dem alten Wachturm und blickte zwischen den Knien hindurch auf den Boden. Die
    Morgensonne, die goldene Glanzlichter auf das Meer vor ihm warf, schien er nicht zu bemerken. Hinter ihm summten Bienen im Lavendel. Mir wurde seltsam zumute, als ich mir vergegenwärtigte, dass dies der Ort war, wo sein Vater Mel verführt hatte.
    »Guy?« Er reagierte nicht. Ich lief zum Wachturm hinüber.
    »Guy!«
    Er wandte mir das Gesicht zu. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Er war angespannt und leichenblass, die Augen blickten kalt und hart.
    »Ja, Lane?«
    »Hör zu, äh, es tut mir so Leid .«
    »Was tut dir Leid? «
    »Na ja, das mit Dominique.«
    »Was mit Dominique? Dass du mit ihr gevögelt hast? Dass du die Frau meines Vaters gefickt hast? Ist es das? Wenn es das ist, dann wird deine Entschuldigung nicht angenommen.«
    »Ja. Das tut mir so verdammt Leid. Ich wollte, ich hätte es nicht getan.«
    »Unsinn. Du hast jede Sekunde genossen. Wahrscheinlich bist du dir wie ein toller Hengst vorgekommen, was? Das war sicher besser, als irgendeine Schlampe bei der Schuldisco zu begrapschen - wenn dich eine gelassen hat, was ich stark bezweifle.«
    Ich versuchte, die Bosheiten zu überhören. »Wer hat es dir gesagt? Die Polizei?«
    »Sie hat mich danach gefragt. Aber ich habe gerade mit meinem Vater gesprochen. Er hat mir ’ne Menge erzählt. Über dich und sie. Und über ihn und Mel.« Er beobachtete, wie ich reagierte. »Du hast es gewusst, nicht
    wahr?«
    »Ich habe es vermutet.«
    »Vermutet! Was, zum Teufel, geht hier eigentlich vor? Mein Vater vögelt meine Freundin, mein Freund vögelt meine Stiefmutter, und ich habe nicht die leiseste Ahnung davon. Und weißt du, wo mein braver Vater war, als seine Frau mit einem Kissen erstickt wurde?«
    »Nein.«
    »In irgendeinem Klub in Nizza. Statt Klub kannst du auch ruhig Puff sagen. Deshalb hat er sie erst um drei Uhr morgens entdeckt.«
    »Guy, es tut mir wirklich Leid. Wenn es irgendwas gibt, was ich für dich tun kann ...«
    »Klar doch. Ich hätte dich nie einladen dürfen. Das hier ist nicht deine Welt, Lane. Du passt nicht hierher. Kehr wieder unter den kleinen, traurigen Stein zurück, unter dem du hervorgekrochen bist, und lass mich in Ruhe. Okay?«
    In seinen Augen war Wut, mehr als das: Hass.
    »Okay«, sagte ich und ließ ihn in Ruhe.
    Ich vergrub mich im Schlafzimmer des Gästehauses und versuchte, mir über die vergangenen zwei Tage klar zu werden. Es gelang mir nicht. Ich hatte noch nie jemanden gekannt, der ermordet worden war. Und ich war mir nicht sicher, ob ich Dominique wirklich gekannt hatte. Der Körper, der mich so erregt hatte, war jetzt leblos, die Haut kalt, die Muskeln steif und starr. Aber der Mensch? Wer war sie? Die unmittelbare Gegenwart des Todes ließ mich erschauern, die gefühllose Art meiner Beziehung zum Opfer lastete schwer auf mir. Dann war da noch meine Freundschaft zu Guy: ein Scherbenhaufen, wahrscheinlich für immer. Die Wut, die er auf mich hatte, würde Jahre brauchen, um abzuklingen, wenn überhaupt. Jetzt hasste er mich, dabei hätte ich mir so sehr gewünscht, dass er mich mochte und achtete. Sogar Guys Vater gegenüber hatte ich ein schlechtes Gewissen, obwohl ich wusste, dass er sich viel schändlicher benommen hatte als ich. Ich hatte etwas sehr Schlimmes getan, und jemand war gestorben, damit würde ich leben müssen.
    Ich griff nach meinem Buch. Zum ersten Mal, seit ich mit der Lektüre angefangen hatte, kam Krieg und Frieden zu seinem Recht. Ich wollte mich im napoleonischen Russland verlieren, das mir in diesem Augenblick weit weniger bedrohlich erschien als das Frankreich des 20. Jahrhunderts.
    Doch nach zwei oder drei Stunden begann mir der Hunger zu schaffen zu machen. Ich hatte nur früh am Morgen ein Croissant gegessen, und die Angst setzte zusätzliche Magensäfte frei. Ich war achtzehn. Achtzehnjährige Jungen sind regelmäßig hungrig. Die Möglichkeit, Tony oder Guy zu begegnen, musste ich in Kauf nehmen. Ich brauchte etwas zu essen.
    Ich ging durch den Garten. Hier präsentierte sich ein weiterer strahlender, wolkenloser Tag. Es war

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