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Fatal Error

Titel: Fatal Error Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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hinaus. Wo sind die Wolken? Das Wetter könnte gar nicht besser sein.« Er sah den zweifelnden Ausdruck in meinen Augen. »Im Sommer sagen sie immer, dass die Möglichkeit eines Gewitters besteht. Die Typen von der Wetterwarte haben Schiss und halten sich bedeckt. Wenn wir ein Gewitter sehen, machen wir einen großen Bogen, okay?«
    »Okay.« Ich nickte und dachte, wie viel wohler mir zumute wäre, wenn ich bei diesen Flügen mit Guy mehr von der Sache verstünde.
    Wir hoben ab, stiegen in einen klaren Himmel auf und flogen parallel zur zerklüfteten Küste nach Norden, vorbei an Leuchttürmen, Lochs, Vögeln, Gehöften und Burgen. Am Sound of Sleat zog Guy die Maschine nach oben und passierte Mallaig in Richtung Kyle of Lochalsh. Zu unserer Linken wuchs das dunkle Gebirge von Skye auf, zu unserer Rechten die Highlands. Über meine rechte Schulter hielt ich Ausschau nach dem Ben Nevis, der etwa fünfzig Kilometer hinter uns liegen musste. Ich konnte ihn nicht sehen. Plötzlich war eine riesige schwarze Wolke aufgezogen, die das Gebirge überragte. Sie reichte dreihundert Meter hoch in den Himmel, verjüngte sich zu einem Turm, der eine flache weiße Kappe trug. Einen »Amboss«. Es handelte sich um einen gewaltigen Kumulonimbus, eine Gewitterwolke.
    In den meteorologischen Lehrbüchern hatte ich über
    Gewitterwolken gelesen. Sie sind die schlimmsten Feinde des Piloten. Wind kann die Landung erschweren, Regen die Sicht einschränken, doch eine Gewitterwolke kann ein Flugzeug in Stücke reißen. In einer großen Gewitterwolke wird warme Luft in das Zentrum des Gewitters gezogen und schießt dort viele Hundert Meter noch oben, wo sie abkühlt und in einem heimtückischen Abwind zu Boden stürzt. Die daraus resultierende Turbulenz erzeugt heftige Luftstöße, denen ein normales Flugwerk nicht gewachsen ist.
    Ich tippte Guy auf die Schulter und zeigte ihm die Wolke.
    »Das ist schon okay«, sagte er. »Über Bergen hast du oft Wolken. Da hinten kann uns nichts passieren.«
    Wir näherten uns der Schulter eines Hügels, der zum Sund abfiel. Wir passierten ihn und wandten uns nordwärts. Direkt vor uns wuchs eine schwarze Mauer auf. Das Flugzeug bebte ein wenig, wie in nervöser Erwartung.
    Noch eine.
    Zu beiden Seiten erhoben sich Berge. Guy hatte keine Chance, sein Versprechen wahr zu machen und die Gewitterfront zu umfliegen.
    »Und jetzt?«
    »Wir fliegen drunter weg«, sagte er. »Es gibt vielleicht ein paar Turbulenzen, aber wir sind schon fast da.«
    »Sollten wir nicht lieber umkehren?«
    »Quatsch, das klappt schon. Das Gewitter bildet sich erst. Es regnet ja noch gar nicht.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich bin ich sicher«, sagte Guy, und Ärger flackerte in seiner Stimme auf. »Haltet euch fest dahinten, es kann jetzt ein bisschen unruhig werden.«
    Guy ging auf ungefähr einhundertzwanzig Meter hinunter. Dort konnte man unter der Wolke die Küste dahinter erkennen.
    Wir näherten uns der grauen Wand mit etwa hundertdreißig Knoten. Ich war nervös. Vor uns befand sich ein Ungetüm, das für mein unerfahrenes Auge verdächtig nach einem riesigen Kumulonimbus aussah, unter uns Wasser, zu beiden Seiten Berge. Nur hinter uns war Sicherheit. Doch ein Blick in Guys entschlossenes Gesicht überzeugte mich davon, dass dieser Weg für ihn nicht in Frage kam.
    Die Luft wurde kabbelig, die Maschine hüpfte und stieß, und prompt hörten wir von hinten einen erschreckten Ausruf, der von Mel stammte. Ein bisschen unbequem, aber nichts Gefährliches, wenn das alles war, was wir zu erwarten hatten.
    Vielleicht waren meine Ängste ja unberechtigt.
    Waren sie nicht.
    Plötzlich wurde die Maschine nach unten gerissen, als hätte ihr eine Riesenhand aufs Dach geschlagen. Das Wasser raste uns entgegen. Guy fluchte, gab Vollgas und versuchte, an Höhe zu gewinnen. Trotz seiner Bemühungen fielen wir weiter. Noch so ein Abwind, und wir würden nasse Füße bekommen. Schlimmer noch, das Flugzeug würde mit solcher Wucht auf die Wasseroberfläche aufschlagen, dass es zerschellen würde. Doch es kam anders. Eben noch hatte die Maschine vergeblich versucht, auch nur einen Meter an Höhe zu gewinnen, im nächsten Augenblick zog uns die Riesenhand in die Höhe. Das Wasser blieb weit unter uns zurück, und wenige Sekunden später hüllte uns die Wolke ein. Alles wurde dunkel.
    »Herr des Himmels!«, fluchte Guy, während er
    verzweifelt mit dem Steuerknüppel hantierte. Ich hatte keine Ahnung, was er versuchte. Es gab nichts zu tun.

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