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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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an. »Ist dir schlecht?«

    »Nein.« Sie würde heute ihren Job verlieren, und dieser verdammte Flyer ging ihr auch nicht aus dem Kopf. »Beruhigen wir uns, okay? In Kürze werden wir erfahren, wer gehen muss. Machen wir uns nicht schon vorher verrückt.«
    Sarah sah ihr in die Augen. »Bleiben wir bei den Tatsachen. Marcelo würde dich nie entlassen. Er steht auf dich. Und das weißt du.«
    »Quatsch.« Ellen bemerkte, dass sie errötete.
    »Er sitzt hinter der Scheibe und schaut ständig zu dir rüber. Du bist der Goldfisch in seinem Aquarium.« Sarahs Augenlider zuckten.
    »Das ist lächerlich«, sagte Ellen.
    Courtney legte die Hand auf ihre Schulter. »El, schreib dir Folgendes hinter die Ohren: Du bist Single, er ist Single, und das Leben ist verdammt kurz. Kapiert?«
    Plötzlich klopfte jemand an der Tür.
    Die drei Frauen drehten sich um.

6
    Es gab zwei Arten von Schreibtischen im Newsroom, alte aus den Fünfzigerjahren, und neue. Die alten waren meist nicht besetzt. Die neuen waren mit Computern und Multi-Line-Telefonen bestückt, auf ihnen herrschte das gewohnte Chaos. Ellen war lange genug bei der Zeitung und konnte sich noch an die Zeit erinnern, als an allen Schreibtischen Journalisten arbeiteten, als alle hektisch hin und her liefen, wie man es aus alten Kinofilmen kennt.
Damals hatte eine knisternde Spannung in der Luft gelegen, denn schließlich hatte man an dem Ort gearbeitet, an dem die Nachrichten gemacht wurden. Jetzt wurden die Nachrichten im Internet gemacht. Deshalb waren so viele Schreibtische unbesetzt. Und heute war ein weiterer leerer Arbeitsplatz hinzugekommen, der von Courtney.
    Noch öder und verlassener erschien Ellen der Raum zu dieser Stunde. Fast alle waren vom Schauplatz des Verbrechens geflohen, sie gingen außer Haus ihren Geschichten nach. Nur Sharon Potts von der Wirtschaft und Joseph Stampone vom Sport saßen an ihren Tischen, schrieben irgendetwas und vermieden, sich dabei in die Augen zu sehen. Die Scham der Überlebenden war ihnen ins Gesicht geschrieben. Eine einzige Person wirkte sorglos: Sarah, die ausgelassen in ihr Handy plapperte. Es klang so unpassend wie Gelächter auf einer Beerdigung.
    Ellen stellte ihren Kaffee ab, der inzwischen kalt geworden war. Sie setzte sich an den Computer, checkte ihre E-Mails und öffnete ihr Adressbuch. Für ihre neue Story brauchte sie Susan Sulamans Telefonnummer. Courtney hatte sich beim Leerräumen ihres Schreibtischs beherrscht und keine Träne vergossen. Das hatte den Abschied für ihre Kollegen nicht leichter gemacht. Sie hatten sie in den Arm genommen und versprochen, mit ihr in Verbindung zu bleiben - das Übliche.
    Du bist Single, er ist Single, und das Leben ist verdammt kurz. Kapiert?
    Ihre Gedanken wanderten wieder zu Timothy Braverman. Sie nahm den Flyer aus ihrer Handtasche und sah sich das Foto an. Die Ähnlichkeit zwischen Will und Timothy war unverkennbar, auch wenn das Bild mit dem
Computer bearbeitet worden war. Sie suchte im Internet nach der Website der Gesellschaft für vermisste und entführte Kinder, von der der Flyer stammte, klickte die Seite »Über uns« an und erfuhr, dass sich die Organisation darum kümmerte, entführte und durchgebrannte Kinder aufzuspüren.
    Sie tippte den Namen Timothy Braverman ein und drückte auf Enter. Eine neue Seite erschien.
    Ellen stockte der Atem.

7
    Auf dem Bildschirm war ein Farbfoto von Timothy Braverman als Baby zu sehen. Er glich Will aufs Haar. Diese himmelblauen Augen! Ellen hatte solche Augen bisher nur bei einem einzigen Menschen gesehen: ihrem Sohn.
    Um Gottes willen.
    Zwei Fotos waren auf der Seite abgebildet. Rechts war das Schwarz-Weiß-Foto vom Flyer, das man vergrößern konnte, und links das farbige Babyfoto von Timothy, das Ellen den Atem geraubt hatte.
    »Timothy im Alter von einem Jahr«, stand darunter. Es handelte sich um eine Großaufnahme seines Gesichts, aufgenommen im Freien; im Hintergrund konnte man eine Hecke erahnen. Das Foto war exzellent. Sonne durchflutete Timothys blondes Haar. Er grinste übers ganze Gesicht, und aus seinem Mund lugten zwei Vorderzähnchen heraus. Will konnte genauso grinsen, seitdem er gesund war.

    Ellen fragte sich, wie Will wohl mit einem Jahr ausgesehen hatte. Er war eineinhalb gewesen, als sie ihm zum ersten Mal begegnet war. Sein Gesicht war wegen der Krankheit schmaler gewesen als das von Timothy. Er war blasser gewesen, seine Haut feiner, aber beide hatten exakt das gleiche Gesicht. Timothy sah lediglich gesünder

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