Fatal - Roman
Wieso?«
»Du siehst nicht gut aus. Courtney hatte recht. Bist du krank?«
»Nein.« Ellen war gereizt und konnte sich ihre Nervosität selbst nicht recht erklären. Geräuschvoll schob sich Timothys Foto aus dem Drucker. »Das mit Courtney tut mir einfach leid.«
»Die schafft das schon. Sie hat es kommen sehen.«
»Hat sie nicht«, widersprach ihr Ellen.
»Sie hat es doch gesagt.«
»Aber sie hat es nicht so gemeint. Außerdem ist es etwas anderes, wenn es tatsächlich passiert.«
Sarah zog eine Augenbraue hoch. »Dass sie fliegt, lag auf der Hand. Ihre Kontakte waren mäßig, und ihre Schreibe war nicht so gut wie deine oder meine.«
»Das stimmt nicht.« Ellen fühlte sich gekränkt, als hätte Sarah sie selbst angegriffen. Inzwischen lag Timothys Foto ausgedruckt auf dem Schreibtisch.
»Woran arbeitest du?«
»Ich recherchiere für eine Story.« Ellen war keine gute Lügnerin, deshalb schob sie schnell eine Frage nach: »Und was machst du?«
»Eine Unterschlagungsgeschichte. Falls Marcelo sein Okay gibt.« Sarah spielte mit einem Blatt Papier. »Der Polizeipräsident hat mir ein Exklusivinterview versprochen. Das macht er sonst nie. Was hast du für eine Story?«
»Es geht um einen Entführungsfall. Ich habe schon mal was darüber gemacht.« Ellen fragte sich, warum sie log. Warum sagte sie nicht die Wahrheit? Stell dir vor, ich habe ein Foto von einem Jungen entdeckt, der genau wie Will
aussieht . Irgendeine Stimme riet ihr, die Sache für sich zu behalten.
»Was für ein Fall war es?«
»Sulaman. Ein Vater kidnappt seine eigenen Kinder.«
»Oh, ich erinnere mich. Der Artikel war typisch für dich«, sagte Sarah. Ellen verbarg ihren Ärger.
»Was meinst du damit?«
»Der Artikel kam so vom Herzen. Ich könnte das nie.«
»Natürlich könntest du das«, sagte Ellen, war sich dabei aber nicht sehr sicher. Sie wollte, dass Sarah ging. Timothys Foto lag ausgedruckt in der Ablage. »Es tut mir leid, aber ich muss weiterarbeiten.«
»Ich auch.« Sarahs Blick fiel auf das Foto. Sie nahm es in die Hand. »Sieh an.«
Ellens Mund wurde trocken.
»Ich kenne niemanden, der mehr Babyfotos gemacht hat als du.«
»Kalt erwischt.« Was sollte sie sonst sagen? Offensichtlich hielt Sarah Timothy für Will.
»Man sieht sich.« Sarah gab ihr das Foto zurück. Ellen faltete es zusammen und steckte es in die Handtasche, bevor sie zum Telefon griff, um Susan Sulaman anzurufen.
8
Fünfzehn Minuten später legte sie den Hörer auf. Marcelo gab ihr von seinem Büro aus ein Zeichen.
»Kann ich dich kurz sprechen?«, rief er. Sie nickte und sah, dass Sarah immer noch bei ihm im Büro saß.
»Natürlich.«
In Marcelos Büro hingen Fotografien, die er in seinem Geburtsort São Paulo aufgenommen hatte. Eine Serie zeigte fremdartige Torbogen, goldfarben und hellbraun, eine andere verwitterte Eingangstüren in grellem Orange, Chromgelb und Geraniumrot. Ein Blumentopf mit purpurnen Petunien stand vor einem Eingang. Ellen musste feststellen, dass auch Marcelos Büro es ihr angetan hatte.
»Setz dich.« Er bot ihr einen Stuhl an; Sarah lächelte ihr kurz zu. Er nahm hinter seinem aufgeräumten Schreibtisch Platz. Ein paar Screenshots lagen aufgestapelt neben seinem Laptop, daneben ein Bleistiftbehälter mit dem Bild eines Fußballs und dem Abzeichen eines Klubs. Marcelo seufzte. »Lasst mich als Erstes sagen - ich weiß, wie hart es für euch beide ist, Courtney zu verlieren. Wenn ich es hätte verhindern können, ich hätte es getan. Aber jetzt hat Sarah eine großartige Idee.« Marcelos Gesicht hellte sich auf, er nickte Sarah zu. »Möchtest du, oder soll ich?«
»Mach du.«
»Gut.« Marcelo sah Ellen in die Augen. »Wir alle wissen, dass Philadelphia zu den Städten gehört, in denen die meisten Morde passieren. Anstatt das Thema immer mal wieder häppchenweise zu behandeln, hat Sarah die Idee, eine große Beilage zu machen, mit Hintergrundinformationen, Analysen und Kommentaren. Sarah, du siehst, ich bediene mich bei dir.« Er sah Sarah lächelnd an. Sie lachte.
Ellen war so verwirrt, dass sie nicht wusste, wie sie schauen sollte. Sarah hatte ihr erzählt, dass sie einen Artikel über eine Unterschlagung schreiben wollte. Sie hatte also gelogen. Das hier war eine viel größere Sache. Eine
schlaue Art sicherzustellen, dass sie nicht diejenige wäre, die Ende des Monats gehen musste.
»Wir werden erklären, was hier los ist, im Gegensatz zu anderen großen Städten des Landes«, fuhr Marcelo fort. »Gibt es
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