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Fatal - Roman

Titel: Fatal - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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aus mit seinen roten Pausbäckchen.
    Ellen las weiter und bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Für genauere Informationen besuchen Sie bitte die Website www.HelfenSieUnsTimothyBravermanZuFinden.com .« Sie klickte auf den Link, ein Fenster öffnete sich, und man sah Thomas, die kleine Lokomotive, ihre Runden drehen. Ihr Herz flatterte, aber nur kurz. Schließlich hatte es nichts zu bedeuten, dass auch Will Thomas liebte. Alle kleine Jungen liebten wahrscheinlich die kleine Lokomotive.
    Sie sah sich die Seite an. Sie enthielt das gleiche Foto wie die Website der Suchorganisation, aber während man dort nur das Gesicht sah, war hier das ganze Bild zu sehen: Timothy trug ein blaues Lacoste-Hemd und Jeans, an den Füßen nagelneue weiße Sneakers. Seine dicken Fingerchen umfassten einen Bund mit übergroßen Plastikschlüsseln. Er saß erstaunlich aufrecht und höchst aufmerksam in seinem marineblauen Kinderwagen. Will hatte damals oft genauso dagesessen - als ob er Angst hätte, dass ihm etwas entging.
    Ellen griff nach dem Kaffeebecher und stellte ihn wieder ab, ohne einen Schluck zu trinken. Das alles war so verdammt unheimlich. Es gab einen Doppelgänger von Will. War er ein Zwilling? Könnte es sein, dass er einen Bruder hatte, den man ihr verheimlicht hatte? Sie dachte
an die Nachmittags-Talkshows im Fernsehen. Was gab es noch für Möglichkeiten?
    Sie klickte auf die nächste Seite, wo es noch mehr Fotos gab, neun insgesamt: Timothy von der Geburt bis zu seinem ersten Geburtstag. Das erste Foto zeigte Timothy als Neugeborenes, eingewickelt in eine weißen Babydecke; beim nächsten lag er auf dem Bauch; dann stützte er sich schon auf die Arme, und auf dem letzten Bild saß er angeschnallt in einem Kinderautositz. Ellen hatte Will so klein nicht gesehen, sie wusste nicht, wie er damals ausgesehen hatte. Mit ungefähr zehn Monaten begannen die beiden Jungen sich zu gleichen. Sie las den Text, der unter den Fotos stand:
    Wir, Carol und Bill Braverman, sind jedem auf ewig dankbar, der uns helfen kann, unseren Sohn, Timothy Alan Braverman, wiederzufinden. Timothy wurde Opfer einer Entführung. Der Täter war weiß, ungefähr 30 Jahre alt, zirka 1,80 m groß und 80 kg schwer. Er hielt unseren Mercedes an und behauptete, eine Panne zu haben. Carol saß am Steuer. Er bedrohte sie mit einer Waffe, zwang sie zum Aussteigen und erschoss Timothys Kindermädchen, Cora Elizondo, als sie zu schreien begann. Dann fuhr er mit Timothy im Wagen weg. Wir warteten, bis er sich meldete, und bezahlten die Summe, die er als Lösegeld forderte. Aber Timothy bekamen wir nie zurück. Ein Phantombild des Entführers finden Sie unten.
    Ellen überlief ein Schauder. Das war der Albtraum aller Eltern. Du machst mit deinem Kind eine Spazierfahrt und landest zur falschen Zeit am falschen Ort. Schüsse fallen, man schreit, es gibt einen Toten, und dein Kind wird geraubt. Sie sah sich das Phantombild an. Es war eine einfache
Bleistiftzeichnung, sehr unpräzise. Der Täter hatte eine niedrige Stirn, kleine Augen, eine breite Nase und hohe Wangenknochen - ein Bösewicht aus dem Bilderbuch. Dann las sie weiter:
    In dem Jahr, in dem Gott uns Timothy schenkte, durften wir ihn als einen süßen und fröhlichen Jungen in unser Herz schließen. Er liebt Thomas, die Lokomotive, seinen Cockerspaniel Pete und isst am liebsten grünen Wackelpudding. Ich, seine Mutter, werde nie aufhören, ihn zu suchen. Erst wenn ich ihn wieder in meinen Armen halte, wird wieder Ruhe in meine Seele einkehren.
    Ellen verstand Timothys Mutter nur zu gut. Auch sie würde nie aufhören, Will zu suchen, wenn ihr so etwas zustieße. Sie las weiter:
    Der Kidnapper wird von der Landes- und der Bundespolizei gesucht. Die Bravermans haben eine Belohnung von einer Million Dollar für sachdienliche Hinweise ausgesetzt. Bitte melden Sie sich nur, wenn Sie es ernst meinen. Jeder Missbrauch wird strafrechtlich verfolgt.
    Eine Million Dollar war eine riesige Summe für eine Belohnung. Die Familie musste reich sein. Aber ihr ganzes Geld hatte sie nicht vor diesem Leid bewahren können. Ellen kehrte zur ersten Seite zurück und sah sich Timothys Babyfoto noch einmal an, dann klickte sie auf Drucken.
    »Na, was macht die zukünftige Braut?«, sagte eine Stimme hinter ihr. Ellen bewegte reflexartig die Maus. Auf dem Bildschirm erschien wieder ihr Bildschirmschoner, ein Foto von Will. Neben ihrem Schreibtisch stand Sarah Liu. »Wie geht’s?«
    »Gut.«

    »Was ist los mit dir?«
    »Nichts.

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